Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1933 (1933)

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Lichter am Wagen ersehen konnte — alten, von -er Zeit stark zer¬ 
mürbten Hause. 
Gregorowitsch bezahlte den Chauffeur, -er rasch wieder davon¬ 
fuhr, während die Frau das Tor öffnete, und ihn mit einer liebens¬ 
würdigen Geste einlud, einzutreten. 
Nur zögernd folgte der junge Ingenieur der Einladung und 
ein beklemmendes Gefühl ergriff ihn jetzt, als er in den öden, 
dunklen Raum trat und das Haustor hinter ihm wieder ins Schloß 
stell 
,-Der Aufgang zu unserer Wohnung ist nicht schön," bemerkte 
die Frau, wie sich entschuldigend, und knipste eine elektrische Ta¬ 
schenlampe an, die sie von irgend einer Stelle im Hausflur nahm, 
„innen ist sie aber freundlich und wohnlich." 
In der Tat: es war eine verwahrloste und verfallene Stein¬ 
stiege, die zu einer Wohnung emPorführte. 
Die Tür dieser Wohnung öffnete sich jetzt und im Türrahmen 
erschien ein Mann, einen brennenden Kerzenstumps emporhaltend. 
Er fragte: 
„Bist du es, Tatjana?" 
„Ja, Jossek." 
Obwohl -er Mann nichts an sich hatte, das ihn verdächtig ge¬ 
macht hätte, so beschlich Wassilj Gregorowitsch momentan doch eine 
Art Unheimlichkeit und er bereute es, der Einladung -er ihm ganz 
und gar fremden Frau und noch dazu in eine ganz verlassene Ge¬ 
gend gefolgt zu sein. 
,-Gnädige Frau," wandte er sich an die an seiner Seite Ge¬ 
hende, „idf erinnere mich soeben, daß ich um neun Uhr bei Nikophor 
Slobadjew sein soll. Es ist jetzt," er zog eine wertvolle Taschenuhr, 
„halb neun, weshalb ich zu entschuldigen bitte, wenn ich die Einla¬ 
dung, mit Ihnen und Ihrem Herrn Gemahl eine Schale Tee zu 
trinken, ablehnen muß." 
Die Frau tat erstaunt. 
„Aber nur eine Schale Tee, Herr 'Gregorowitsch. Ich kann mich 
ja für Ihre mit geleisteten Dienste mit nichts anderem erkenntlich 
zeigen." 
Sie schob ihren Arm in den seinen. Da standen sie auch schon 
vor der Tür, aus der vor einer Weile der Mann mit der brennen¬ 
den Kerze getreten war und sich dann wieder zurückgezogen hatte. 
Sie traten ein. Es war eine Art Vestibül, nicht ohne Geschmack 
eingerichtet. Drei Türen führten von hier in das Innere der Woh¬ 
nung. 
„Nur einen Augenblick," meinte die Unbekannte und den kost¬ 
baren Mantel von ihren Schultern lösend, verschwand sie durch eine 
der Türen. 
Wassilj Gregorowitsch wartete eine Zeit und über dem War¬ 
ten überkam ihn wie vorher ein Unbehagen, das er 'sich nicht erklä¬ 
ren konnte. Der Gedanke sprang in ihm aus: wo befinde ich mich 
eigentlich? Und wer ist die Frau, die ich hierher gebracht habe? 
Hinaus, hinaus aus diesem unheimlichen Hause, das war jetzt 
sein einziger Gedanke.
	        
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