Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1931 (1931)

80 
Seit Sommer 1763 war Nandl im Schloß Wartenburg bei Ti- 
melkam in Dienst getreten. Für ihn nahm Michael Ernstorfer den 
Posten an. Dieser 19jährige Bursche stammte, wie die Akten berich¬ 
ten, aus M i t t e r t a l bei Puchheim. Dort betrieben Anton und 
Vene, seine Eltern, das Schindergewerbe. Wo liegt Mittertal? Mit- 
tertal hieß die Wiesenzunge, die sich unterhalb der Desch-Villa links 
zwischen den zwei Wäldern hinausschiebt. Dort im Walde steht noch 
heute die Schinderkapelle. Einen Steinwurf weiter links davon 
stand noch vor 50 Jahren das Schinderhäusel (Ehrenegger). Die 
Schinder waren nämlich auch die Schergen, d. h. Helfer bei den Hin¬ 
richtungen. Droben über der Desch-Villa war einst der Galgenberg. 
Die Herhaltung der Richtstätte, das Begraben der Leichen war 
Schinderausgabe. Droben bei der Desch-Kapelle und drüben bei der 
Schinderkapelle betteten sie die Gerichteten zur Erde. Leider hat sich 
auch dieser Michel in die Schliche des Strasser verwicklen lassen. 
Die Diebe geht das Grausen an. 
Das 18. Jahrhundert wußte noch nichts von der modernen 
überspannten Humanität in Gerichtssachen, die in Verbrechern fast 
lauter arme kranke Hascher vermutet. Auf Diebstahl über 26 Gulden 
stand unter Umständen die Todesstrafe. Auf Fischdiebereien folgten 
Stockhiebe. Und diese Strafen waren nicht „bedingt" gemeint! 
Der Verdacht, den die Fuxin und die Fischerleute nun täglich 
offener gegen das Dienerhaus aussprachen, daß dort die Fischdiebe 
zu suchen seien, ging dem Strasser ganz gegen den Strich. Jeden Tag 
konnte seine Verhaftung erfolgen, O Grausen! Das konnte Ehre 
und DienstPosten kosten. Ach, jetzt ließen die Gesellen wohl die Köpfe 
hängen. Jetzt ahnten sie: „Unrecht Gut tut nicht gut." Was nun an¬ 
fangen? 
Eines wunderschönen Junimorgens merkten die Mutter und 
die Frau des Straffer, daß sein Bett leer sei. Der Vogel war aus¬ 
geflogen. Franz war zu seinen Schwiegereltern nach Vöcklabruck 
entwichen. In Wirklichkeit suchte er seine Sorgen zu ertränken. 
Beinahe wäre er dabei unter die kaiserlichen Soldaten geraten. Als 
er gerade in Higgenthalers Gaststube saß, kamen zwei Korporale 
herein, freiwillige Soldaten anzuwerben. Strasser wollte sofort mit¬ 
gehen — doch über das Handgeld konnten sie nicht handelseins 
werden. 
Nach einigen Tagen kam er wieder nach Puchheim. Doch die 
Leute schauten ihn so verdächtig an. Nein, es litt ihn nicht mehr da. 
Ueber Kopf und Hals, ohne dem Pfleger Mitteilung zu machen, ent¬ 
wich er abermals bei Nacht. Diesmal wandte er sich nach' Linz. Den 
hohen Schloßherrn Grafen Christoph Salburg selbst wollte er auf¬ 
suchen und um Verzeihung bitten. In Linz hieß es, der Graf sei in 
Schwertberg, Greinburg oder Wien. So wanderte Strasser zu Fuß 
bis Wien. Nirgends traf er den Gesuchten. Dafür aber hatte er in 
Pumperskirchen und Wien doch gute Bekannte gefunden, die ihn 
trösteten und mahnten, heimzukehren. So marschierte der gehetzte 
Mann in acht Tagen von Wien bis Puchheim wieder heim.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.