Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1931 (1931)

Oie Schlangenfarm in Brasilien. 
Gegen jedes Gift kennt heute die Wissenschaft ein Gegengift, 
ein Serum, das unfehlbar die tötende Wirkung des Schlangen¬ 
bisses paralysiert, wenn es rechtzeitig dem betreffenden Glied oder 
Körper eingeimpft wird. 
Das Zentrum, das Herz dieses organisierten Kampfes gegen 
die Schlangen, ist ,/Butantan, die Schlangenfarm", im Staate Sao 
Paulo in Brasilien. 
Von hier, von dem Jnstitnto Butantan aus, geht eine weit 
über das ganze Land verbreitete Propaganda, die in erster Linie mit 
Wort und Bild ermahnt: „Vorsicht und Aufmerksamkeit ist der beste 
Schutz gegen Schlangen!" Keine Schlange greift einen Menschen an. 
Sie ist viel zu scheu und zu klug, sie weiß sehr wohl, daß der große 
Mensch keine Beute für sie ist, die ihren Hunger stillt- denn keine 
Schlange wagt sich an ein Lebewesen heran, das größer ist, als daß 
sie es verschlingen könnte. Nur wenn der Mensch eine Schlange un¬ 
geschickt angreift oder aus Unachtsamkeit tritt oder sonstwie verletzt, 
setzt sie sich zur Wehr und springet blitzschnell zu, indem sie im Bruch¬ 
teil einer Sekunde ihren Kopf "vorschnellt und ihre Giftzähne in 
irgendeine erreichbare, ungeschützte Körperstelle einschlägt — um 
sich im gleichen Augenblick zur Flucht zu wenden. 
Das Serum wird unentgeltlich, aus Staatskosten, an alle Stel¬ 
len versandt, an denen es vonnöten sein könnte. Und dieses Serum 
selbst wird direkt aus — Schlangengift gewonnen. 
Zu diesem Zwecke unterhält das chemische Institut Butantan 
eine große, hochinteressante Schlangenfarm, wie wir sie hier im 
Bilde sehen. 
Auf einem etwa 600 Quadratmeter großen Rasenbeet, nach 
außen durch einen etwa halbmeterbreiten und ebenso tiefen Was¬ 
sergraben mit steilen, glatten Rändern abgeschlossen, sind etwa 30 
kralartige, halbkugelförmige Lehmhütten errichtet, etwa 30 Zenti¬ 
meter im Durchmesser, in denen je nach Jahreszahl 400 bis 1000 
Schlangen träge und behaglich leben, wohlgenährt und müde meist 
in dumpfem Dämmerschlaf dahinsaulenzen, und höchstens, wenn 
der Wärter sie mit seiner Bambusstange aufstöbert, mißmutig 
zischend sich über den halbverdorrten Rasen hinschlängeln. 
In regelmäßigen Abständen, durchschnittlich alle 14 Tage, wer¬ 
den sie in ganz bestimmtem Turnus — und die Wärter kennen ihre 
„Freundinnen" ganz genau — zur Giftentnahme aus ihren Erd- 
hügeln hervorgeholt. Ein rascher Griff mit einer besonders kon¬ 
struierten hölzernen Schlangenschere, etwa fünf Zentimeter hinter 
dem Kopf der Schlange angesetzt, und wehrlos zischend hängt das 
Reptil, oft zwei bis drei Meter lang, in den Klammern fest. Ein 
Assistent des Institutes hält sodann eine flache Glasschale unter 
den aufgesperrten Rachen der Gefangenen, ein leichter Druck mit 
der Hand auf die am hinteren Teil des Kopfes sitzenden Giftdrüsen 
— und zwei schwere, dicke wasserklare Tropfen fallen in die Schale: 
das tödliche Gift, das nun zum Lebensretter werden soll. In ganz
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.