Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1930 (1930)

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Germanen-Götter. 
Bon Dr. W. M. Schmid. 
In dem Teil unseres Volksbrguches, den wir als „Aberglau¬ 
ben" bezeichnen, steckt weit wen.iiger „Unsinn", als man gewöhnlich 
annimmt, vielmehr aber altv Anschauungen, die aus Jahrtausende 
zurückgehen und ans bas Gefühl gegründet sind, daß , über dem 
Menschen eine allwaltende höhere Macht steht. Daraus sind ja auch 
die heidnischen Religionen in ihren verschiedenen Formen aufge¬ 
baut. Was wir nun so gewöhnlich über den Götterglauben der 
Germanen vernehmen, leidet an einem Grundfehler: manche Ein¬ 
zelbeobachlungen sind verallgemeinert worden zu Grundsätzen der 
^germanischen Mythologie", die besonders durch Wagners Musik- 
dramen „Gemeingut des deutschen Bolkes" geworden sind. Die For¬ 
schung hat ihren Fehler lange eingesehen, im Volke werden aber 
die alten falschen Meinungen immer nvlch mitgeschleppt. Das mag 
an ein paar Beispielen gezeigt werden: 
Wir halten Wodan für den höchsten germanischen Gott: in 
Wirklichkeit war dies aber, wie in asten alten Religionen der Blitz- 
gott oder nach dem Laut genannt: Donar! Donner und Blitz sind 
die ersten Gewaltäußerungen der Natur, welche von fre« gewöhnli¬ 
chen Erscheinungen abweichen und den primitiven Menschen er¬ 
schrecken, wie heute noch das Kind. Vom Himmel kommen sie herab, 
können furchtbar schaden, bringen, aber auch das Feuer, diesen ersten 
Schritt zur Kultur! Wenn mit dem Frühjahrsgewitter der Blitz in 
die Erde schlägt, weckt er nach dem primitiven Glauben die Natur 
zu neuem Leben, das auch dem Menschen feine Früchte zum Genusse 
darbringt. Besonders seit dieser vom Wildstreisenden Jäger zum 
Viehzüchter und noch später znm Ackerbauer geworden ist, muß ihm 
alles an der Gunst dieses Beherrschers der ganzen Natur liegen, er 
ist für ihn der eigentliche oder oberste Gott, der wahre Himmel- 
vater: bet den Griechen Zeus, bet den Römern Jupiter, bei den 
Germanen Donar (nordisch Tor). Man stellt ihn sich vor wie die 
Helden des eigenen Volkes: blond-rothaarig, bärtig, bewaffnet, mit 
dem ältesten Werkzeug der Menschen, dem Steinhammer. Diesen 
schleudert er zur Erde, wenn es blitzt, und wer Glück hat, findet an 
der Einschlagstelle den Donnerkeil, der alle Gefahr abwendet. 
Als treibende Kraft aller Natur mar Donar auch der Gott der 
Ehe, deren Bündnis mit einem Hammer eingeweiht wurde. Die 
Symbolik geht so weit unid die dunkle Erinnerung daran Lauerte so 
lange fort, daß noch im 16. Jahrhundert in einigen von der Nonne 
Klara Hehler gedichteten Marienliedern nach den Verkündigungs¬ 
worten des Engels der Vers steht: Und da warf der Schmied den 
Hammer in meinen Schoß! Da die Heirat ja ein Vertrag war, ist 
der Hammer dabei auch Rechtssymbol. Noch heute setzt der Aniktiona- 
tor durch den Hammerschlag den Steigerer in den Besitz einer Sa¬
	        
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