131
Extrclmäclel.
* Von Marie Reiseubichler, Hallstatt.
Wo es wohl Liesen Namen her hatte, dies auffallend hübsche
Mädchen mit dem kohlschwarzen Lockenhaar und den langen seidi¬
gen Wimpern, welche die blauen VergißMeinnichtaugen beschatte¬
ten?!
. Bei einem traurigen Ereignis hatte es ihn bekommen. Sein
Vater, ein Offizier, war im Duell gefallen. Eine Eifersuchtsszene im
Kasino war die Ursache davon. Eigentlich ganz grundlos. Seine
Mutter, die damals ein zweites Kind unter dem Herzen trug,
mußte den Schrecken und Schmerz mit dem Leben bezahlen. Der
Leichenzug stand vor dem Hause und Tante Erna, Papas einzige
Schwester, wollte eben das kleine Mädchen in einen der nachfolgen¬
den Wagen heben. Doch dieses sträubte sich mit Händen und Füßen:
„Nein, nein, ich will nicht mit, es ist nicht wahr, dies ist nicht Alami
da drinnen." Dabei zeigte es auf den Leichenwagen.
Nun nahm ein älterer Herr, ein Verwandter ihrer Mutter, die
Kleine kurz entschlossen auf den Arm und ging mit ihr ins Haus
zurück. Da hörte er, wie eine Frau aus den Umstehenden sagte:
„Die kleine Meta ist überhaupt ein Extramädel!" Im Wohnzimmer
angelangt stellte er Meta auf den Boden, legte Hut und Ueberzie-
her ab, setzte sich in einen Stuhl, zog die Kleine zu sich heran, nahm
sie zu sich auf die Knie und fragte: „Du Extramädel, wie kommst
du auf den Einfall, daß es nicht deine Mama wäre, welche die
schwarzen Männer hinausgetragen haben?" Und er spürte es feucht
in die Augen steigen bei dem Gedanken daran, daß dieses Mädelchen
nun eigentlich schon allein stehe in der Welt.
Das Kind sah ihm ganz ernsthaft in die Augen: „Nein, Onkel-
chen", so nannte es ihn, obgleich er es nicht war, „dies ist nicht mehr
meine Alaun. Denk' dir nur, als mich vorgestern niemand vom
Bettchen holte, stand ich allein auf und ging in Mamis Schlafzim¬
mer. Da war ein schreckliches Durcheinander, aber Alami schlief
noch. Ich rief, sie hat mir aber nicht geantwortet. Da habe ich mir
einen Schemel genommen und bin hinaufgestiegen. Da hat mich
Mami so groß angeschaut und ihr Gesicht war so kalt, hu, ich hab
mich gefürchtet und habe geschrien bis Lina kam und mich hinaus- •
trug. Und Alami hat nun gar nicht mehr nach mir gefragt oder ge¬
schaut — wird das jetzt immer so sein?" Und jetzt rollten große, dicke
Kindertränen über die runden Wangen. Onkelchen preßte das
Köpfchen fest gegen seine Schulter, ungeachtet des schwarzen Gala¬
anzuges. Leise strich er über den lockigen Scheitel und sprach: „Kind¬
chen schau, die Mama hat es nicht mehr gekonnt. Denn was zu dir
gesprochen und gelacht hat mit dir, nennt man Seele, die ist beim
lieben Herrgott drpben. Dahin kommst du auch einmal, wenn du
brav bist. Aber jetzt Meta, willst du mit mir gehen und bei mir blei¬
ben oder gehst du lieber zu Tante Erna?"
9*