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„versehen" war, sagte er zur Schwester: „Kathl, hiazt hats nu was.
Du bist a scho alt — heut i, morgen du — verstehst mi, gelt Kathl?
Wia i di kenn, wirst alloa dös Werkl niumner gern weitaführn, wia
wars, wann ma mitanand a Testament machatn? Bist einverstandn?"
Und die zwei Geschwister, die sich im Leben stets so gut verstanden,
wurden auch am Lebensende in diesem, manchmal so heiklen Punkte,
der gar oft geeignet ist, die Geschwisterliebe auf eine harte Probe
zu stellen, schnell und leicht handelseins — sie machten gemeinsam
ein Testament.
VII.
Michl war gerade willens auszugehen, um in der nahegelege¬
nen Ausspeiserei sein bescheidenes Mittagsmahl zu nehmen, kommt
der Briesbote und übergibt ihm ein gut versiegeltes Schreiben. Die
Schrift war dem Mich! ganz unbekannt, kalligraphisch und allem An¬
scheine nach von einer schreibgewandten Hand. Das Schriftstück selbst
jedoch schwer leserlich, offenbar von ungelenker Hand verfaßt, wie
eben Leute.zu schreiben pflegen, die schwere Handarbeit leisten. —
Schon die Anrede im Briefe machte ihn stutzig und äußerst gespannt
bemhhte er sich, die windschief stehenden Zeichen zu Worte zu for¬
men So dessen Inhalt: „Liaber Göd Michl! Wirst uns wohl nimma
kenna, mir sau Deinö Tafgödn, der Hans und i, sei Schwösta. Mia
habn za der Leich von Dein Badan not kemma kinna, weil Dei Göd
schon länger kränkli is und i nöt aus kann. Bal na der Leich habn
ma ghört, daß Du a dort gwesn warst, is uns loaö, daß man Di nöt
sehn habn kinna, mia habn erst hiazt erfahrn, daß Du ö da Studi
bist und recht arim studiern hast müassn, wann ma dös gwüßt hättn,
warn ma Dir recht gern z' Hüls kemma, Muaß Di aber nöt haribn,
mir fand 's a nöt. Daß d' aber a Advakat werden wüllst, gfallt tins
nöt den bössan, mir möchtn do habn, daß d' amai im Himmö kimmst,
bei dö Advakatner is aber ö den Stuck hoagl, dö löbn netta van
Streit der Leut und ön Himmö gibts koan Streit. Liaber Göd, mir
wissn Dir was Bössers. Los as! Der Hans, Dei Göd, hats scho ganz
klon beinand, der Doktor hat eahm as Löbn scho agsprocha und eahm
selm is a scho ganz grechi, wann a End außageht und a so habn ma
halt a Testament gmacht mitanand, weil ma koani nachstn Ber-
wandtn habn, denens neot tat, so habn wa üns denkt und ausgmacht,
mir göbn ünsa Haus und alls, was ma habn ünsern Gödn, ön Michl.
— Derfst sinst nix toa als wia ja sagn und kemma, is scho alls ön
da Ordnung. Laß Dei Studiererei und Dei Hungerleiderei steh
und kimm glei, Dei Göd möcht Di nu gern sehn, bevor er stiribt.
Mi kriagst halt ön Auszug, derfst aber nöt da lemma, wannst a so
bist wia Dei Bada und Dei Muada, Gott Habs selö, aft wern man
scho guai auskemma. Mia grüaßn Di recht schön Deinö Tafgödn
Hans und Kathl."
VIII.
Der Kalender zeigt den 9. Februar an. Schneemassen türmen
sich auf, so daß das Psarrüors, welches sich protzig Großzell nennen
läßt, auf hundert Meter Entfernung kaum mehr sichtbar bleibt, nur
der hohe, massige Turm sagt dem einsamen Wanderer, daß hier