Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1928 (1928)

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„O wohl, wohl, es freut mich- Me Freud ist so groß, daß sie mir 
fast wehe tut. Ich hab mir nicht zu hoffen getraut, daß diese Freud 
Noch einmal kommt." 
„Du arme Marialene!" 
„Und du? Du, Gottfried? Kannst du mich noch ein bißchen 
gern haben?" 
„Viel lieber als früher hab ich dich. Du mußt mir verzeihen, 
Marialene, baß ich nie gekommen bin." 
„Sei still, Gottfried! Ich begreif das alles gut. Du Hast mir 
fo viel Gutes erwiesen. Vergelt öir's -er liebe Gott!" 
Sie ergriff rasch feine Hand und drückte einen langen Kuß 
darauf. Dann umarmten sie sich beide, und auch der starke Mann 
konnte sich der Tränen nicht erwehren. Nachdem sie nebeneinander 
Platz genommen hatten, erzählte er ansführlich die Ereignisse der 
letzten Tage- wie der Stauding auf der Alm verunglückt sei und 
alles einbekannt habe, wie die Meinhart-Traudl spurlos verschwun¬ 
den fei, wie das Strafurteil gegen sie, die Marialene, vom Landes¬ 
gericht umgestoßen wurde und ihr eine glänzende Rechtfertigung 
zuteil geworden. Auch von der Zigeunerin berichtete er, die so 
tapfer für sie eingestanden wäre. 
Die Marialene Hörte mit gefalteten Händen! zu. Als er ge¬ 
redet, sagte sie inbrünstig: 
„Dank dir, unser lieber Herr! Dank dir, unser lieber Herr! 
Dank dir, unser lieber Herr! Taufendmal Dank dir! Ich verzeih 
allen- die wich in das Elend gebracht haben. Es ist eine schwere 
Prüfung gewesen, aber ich werd's wohl verdient haben." 
„Du haft's gewiß nicht verdient, du bist ja rein wie ein Engel." 
„Nicht, nicht," wehrte sie, „ich hab den Kopf viel zu hoch ge¬ 
tragen und hab nur immer geschaut, wie ich über andere hinaus¬ 
wachsen kann. Da hat mich unser Herr klein gemacht, recht klein. 
Jetzt will ich klein bleiben und nur unserem Herrn und dir dienen, 
solang ich leb." 
„Und ich tu alles, daß du noch glücklicher wirst, als du vor dem 
großen Unglück gewesen bist," sprach er- „Mt sollst wieder rote 
Wangen und glänzende Augen kriegejn." 
„Gelt, ich biN alt geworden?" fragte sie beinahe erschrocken. 
„Nein, nein, die paar Silberhärchen ans deinem Kopf haben 
nichts zu bedeuten. Jetzt bist erst mein richtiges Edelweiß. Es ist 
ein furchtbares Wetter über dich gegangen und du bist noch schöner 
und edler geworden. Kannst mir's glauben, daß ich dich noch lieber 
hab als früher." 
Sie drückten einander warm die Hand. Dann sagte er: 
„Jetzt mußt dich umkleiden, Marialene. Ich hab dir dein hell¬ 
blaues Festtagskleid mitgebracht und die goldene Kette. Wir reifen 
dann gleich nach Haufe- dort warten sie alle schon hart auf dich und 
es soll hochhergehen,, wenn du kommst. Richtig, ich soll nichts ver¬ 
raten. Aber soviel darf ich wohl sagen, daß es einen! feierlichen 
Empfang abgibt."
	        
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