Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1928 (1928)

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Daviter und Marralene standen da wie in den Boden geschlagen. 
Die Frau war leichenblaß und erst nach ein paar Minuten degan, 
sie krampfhaft zu weinen, während der Mann heftig gegen die Ab¬ 
sicht des Richters protestierte. Aber es half nichts. Selbst das An¬ 
erbieten des Daviters, zwanzigtausend Gulden oder, wenn es nötig 
sei, den ganzen Hof als Bürgschaft für die Gattin unterzustellen, 
lehnte der Richter ab und bestand auf deren Verhaftung. Zornig 
erklärte der Großbauer, es gäbe noch andere Stellen als so ein Land¬ 
gericht und er werde sein Recht auch gegen den Landrichter zu finden 
wissen. Dann sprach er der Marialene sanft zu, sie solle sich ruhig 
der Gewalt fügen,' er reise jetzt unmittelbar nach Innsbruck und in 
ein paar Tagen werde sie nicht nur ihre Freiheit wieder haben, 
sondern volle Genugtuung für die angetane Schmach erlangen. Auch 
bat er sie leise, sie solle durch ihre Ruhe zeigen, daß sie über die 
Niederträchtige Verdächtigung hoch erhaben sei. Mit einem herz¬ 
innigen Blick dankte die Marialene ihrem Gatten, faßte sich und 
nahm voN ihm einen ruhigen Abschied. Sodann warf sie den Kops 
stolz in die Höhe und ließ sich in den Gewahrsam abführen. 
Der Daviter fuhr Mit dem nächsten Schnellzug nach Innsbruck 
und bestellte dort zwei der besten Advokaten, die die Sache seiner 
Gattin kräftig in die Hand nahmen. Aber trotz der angestrengten 
Bemühungen gelang es den beiden Rechtsanwälten nicht, die Ent¬ 
haftung der Marialene zu erwirken. Das Gericht in Rettenburg 
verhörte mehrere Zeugen aus Oswalden, setzte ein langes Protokoll 
ans unid gab schließlich die Angelegenheit an das Landesgericht 
weiter. 
Und jetzt nahm die Sache einen schlimmen Lauf. Der Daviter 
konnte mit all seinem Geld und Einfluß nicht verhindern, daß die 
Marialene vor's Schwurgericht kam. Hatte schon die Verhaftung 
der jungen Daviterin in Oswalden ungeheures Aussehen erregt, so 
brach jetzt ein förmlicher Sturm in der Gemeinde los. Es bildete« 
sich zwei Parteien, die einander heftig befehdeten. Die eine, weitaus 
größere, verteidigte Marialenes Unschuld, die kleinere, aber tücki¬ 
schere, beharrte auf deren Schuld. Daß die Daviterin könne schuldig 
gesprochen werden, Hielten die wenigsten für möglich. Der Daviter 
selbst war felsenfest überzeugt, feine Frau werde glänzend gerecht¬ 
fertigt ans der Verhandlung hervorgehen,' hatten ihm doch die zwei! 
Verteidiger jegliche Sorge ausgeredet und förmlich geschworen, daß 
ein Freispruch vollständig sicher sei. 
Am sechsten November begann die Verhandlung berm Schwur¬ 
gericht in Bozen. Als Zeugen waren außer dem Daviter und fünf 
seiner Dienstboten erschienen: die Meinhart-Traudl, die Arzber- 
gerin, der Schmied und die Schmiedin, jene drei Knechte, die am 
kritischen Morgen auf dem SchMiödanger gemäht hatten und noch 
zirka ein Dutzend andere Personen von Oswalden. Eine starke 
Bewegung ging durch den Saal, als die Marialene zur Tür hereim- 
trat. Sie war mager und blaß geworden, das Gesicht erschien unter 
den goldglänzenden Haaren und über dem schwarzen Kleid, das sie 
trug, noch weißer als sonst. Doch sah man den Augen keine Spur
	        
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