Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1927 (1927)

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Ich dachte jetzt an nichts anderes, als so rasch als möglich 
aus der Gewalt des unheimlichen Menschen, der das Rasiermesser 
noch immer in der Hand hielt- zu kommen. Ich war nunmehr näher 
der Tür, ja, ich konnte sie von der anderen Bettseite erreichen, 
ohne daß mir der Weg zu ihr verstellt werden konnte. Mein Plan 
ging dahin, plötzlich aufzuspringen, in der nächsten Sekunde bei 
der Tür zu sein und mich in das Bureau des Geschäftsführers zu 
flüchten. Es wäre dies nicht gar zu schwer auszuführen gewesen, 
wenn ich nicht einesteils so erschöpft und andernteils der gewiß 
übermenschlichen Kraft des Wahnsinnigen ausgesetzt gewesen wäre. 
Und so wagte ich es: Plötzlich und unvermutet sprang ich auf, kam 
zur Tür, riß sie auf und zwängte mich durch den entstandenen 
Spalt.. . 
Auf dem Korridor brannte ein müdes Licht . . . Ich rannte 
zur Tür der Geschäftsführung ... heiliger Gott- sie ist versperrt . .. 
Gin unheimliches Stöhnen . . . ich wandte mich um . , . der 
Wahnsinnige war hinter mir. 
Wohin? 
Hier eine steile Treppe . . . 
Wohin führte sie? 
Gleichgültig wohin, nur fort . . . fort aus der Nähe des 
Kranken, der, das offene Rasiermesser in der Hand, knapp hinter 
mir war. 
Ich stürmte die Treppe -empor — stieß eine Falltür auf und 
befand mich auf dem flachen Dache des Hauses. 
Bin ich gerettet? flog der Gedanke durch mein Gehirn. 
An der Falltür wird jetzt gerüttelt ... Ich stemme mich mit 
meiner ganzen Kraft gegen sie.. , nutzloses Beginnen, ein musku¬ 
löser Arm taucht sie aus . .. 
Zwei unheimliche Augen sehen mich an und schon fühle ich das 
Rasiermesser im Nacken . . . 
Wohin? . . . Ueber die Dachbrüstung in die Tiefe hinab? . . . 
Heiliger Gott, wo Rettung? ... 
Da . . . da . . . ein viereckiges schwarzes Loch im Dach . . . 
ich springe hinab, ich greife ein Geländer .,. Treppen ... hinab ... 
hinab ... in wahnsinniger Angst und Hast . . . hinab in die dritte 
. . . zweite . . . erste Etage . . . nun beim Haustor . . . den Riegel 
zurück . .. Gott sei Dank, ich befand mich auf -er Gasse . . . atmete 
befreit . . . gerettet! . . . 
Ehe ich mir noch so recht bewußt war- was in den letzten 
Minuten vorgegangen, was mit dem Wahnsinnigen geschehen, schlug 
knapp vor mir ein Körper auf das Straßenpflaster . . . ein paar 
Zuckungen, dann rührte er sich nicht mehr . . . eine blutige, form¬ 
lose Masse. 
Es war der wahnsinnige Kapitän, der aus meiner Verfolgung 
vom Dache des Hotels in die schwarze Tiefe gesprungen war."
	        
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