Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1927 (1927)

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„Vergelt's Gott! Vergelt's Gott! — Fetzt ist's schon bei mir, 
das heilige Christkind — jetzt hab' ich's wohl."-— 
Die Messe war zu Ende- alle Hausleute standen um den Prie¬ 
ster, dankten ihm tiefgerührt, und der Bauer sagte: 
„So eine schöne Christnacht hab' ich mein Lebtag' keine gehabt 
wie die heutige." 
„Ich auch nicht! Ich auch nicht!" erklärten die andern und die 
Bäuerin setzte hinzu: „O unser Herr ist gut — gar g'rad so viel gut!" 
Der Priester ging nun daran, der Kranken auch die Letzte > 
Oelung zu spenden. Als er zu den Salbungen kam, mußte man dem 
kranken Weiblein die Tücher, mit welchen der Kopf desselben säst 
eingebunden und verhüllt war, fortnehmen. Das Stinl wurde an¬ 
fangs durch den Kerzenschimmer geblendet, dann richtete es den 
Blick starr auf den Geistlichen: der Geistliche aber, als er dem Müt¬ 
terlein jetzt in das volle Gesicht schaute, fing an heftig zu zittern. 
Noch ein paarmal blickte er scharf hin, dann eilte er, die heilige 
Handlung rasch zu Ende zu bringen. 
„Pax tecum! Der Friede sei mit dir!" hatte er gesprochen, unt 
jetzt' bat er die Hausleute noch einmal, alle hinauszugehen. Diesmal 
mußten sie lange draußen bleiben. Der Geistliche setzte sich neben 
das Bett, nahm die beiden Hände der Kranken fest in die seinigen! 
und fragte sanft, indem er sich bemühte, seine Ergriffenheit nieder-! 
zukämpfen: 
„Mütterlein, wie geht's?" 
„O gut geht's — garaus gut!" flüsterte das Stinl, „ich hab' ja 
unser'« Herrn bekommen .. . Aber, Hochwürdiger, ihr seid mir so 
bekannt — das heißt: eure Stimme-das Gesicht ist fremd, aber 
die Stimme so bekannt, daß ich mein', wir sind schon einmal beisam¬ 
men gewesen: ich weiß nur nicht, wo ich euch hintun soll — im Gesicht 
kenn' ich euch nicht." 
„Weißt, so ein Bart wächst schnell, und der verstellt einen," 
sagte der Geistliche, indem er sich mit der Hand über die Augen fuhr. 
„Fa, ja," plan-erte das Weiblein fort, „habt ihn euch müssen 
wachsen lassen/ gelt?-Seid auch so ein armer Hascher, den die 
Bayern verfolgen und herumhetzen . . . Wißt's, ich hab' auch einen 
geistlichen Bub, vielleicht kennt ihr ihn — Franz Senoner heißt er 
und ist Kooperator in Naturns gewesen. Jetzt haben ihn die Bayern [ 
erwischt und in Innsbruck draußen eingesperrt." 
Wer sagt denn d a s?" fragte überrascht der Geistliche. 
„Die Leute daheim haben's erzählt. Da hab' ich soviel eine ! 
Angst gekriegt um den Bub, ich fürcht' alleweil, daß sie ihm das : 
Leben nehmen, darum hab' ich gewollt nach Innsbruck gehen, den I 
Franz aufsuchen, bin aber auf dem Weg liegen geblieben." 
„Mütterl", sagte der Priester, „was die Leute erzählen, ist alles < 
erlogen . . . Dein Sohn ist nicht eingesperrt, sondern alleweil noch 
frei und in Sicherheit." i
	        
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