Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1926 (1926)

91 
Lebens. Ich empfahl meine Seele dem lieben Gott und sah erwar¬ 
tungsvoll aus das Mienenspiel des Häuptlings. Während dieser Zeit 
wurde auch nicht ein Wort gewechselt. An Widerstand dachte ich nicht 
und. ließ Doppelbüchse samt Revolver ruhig an ihren Plätzen. 
Ich weiß es nicht, wie es kam, plötzlich war alle Furcht von mir 
gewichen, obgleich ich in den Mienen des Häuptlings keine Ursache 
dazu fand. O, mon cher ami, das Gebet stärkt! Ich redete im festen 
Tone, und zwar wieder englisch den Häuptling an: 
„Ihr seid der Hauptmann (eaptain)." 
„Nes Sir," antwortete er und sprach weiter: „Und Ihr seid auch 
ein Kapitän?" 
„No, Sir," antwortete ich. 
„Nes, yes," entgegnete er lächelnd und wies himmelwärts, als 
wollte er sagen: Ihr seid ein himmlischer Hauptmann. 
Hierauf sah er den Kreis seiner Leute an und winkte ihnen, sich 
zu entfernen. Es geschah auch, und wir blieben beiläufig zwanzig 
Schritte von ihnen entfernt allein. Jetzt sagte er im gebrochenen Eng¬ 
lisch zu mir: „Einem himmlischen Hauptmann soll kein Leid geschehen, 
da sei der große Geist vor." 
Er legte mir seine rechte Hand auf das Herz und deutete an, ich 
«möchte das gleiche mit ihm tun. Ich tat es. Das war das Friedens¬ 
zeichen. 
Hierauf reichte er mir die Hand und sprach: „Wir sind Freunde, 
seid unbesorgt." 
Mir war, als.lebte ich neu auf. 
Er führte mich zu einem Feuör, setzte sich und deutete wir an, das 
gleiche zu tun. Ich tat es. Hierauf nahm er große Heuschrecken, die 
gewöhnlichen, wie sie auch in Europa auf den Wiesen zu finden sind, 
hielt sie an das Feuer und röstete sie. Dann aß er davon und reichte 
auch mir eine Portion. 
Eh Monsieur, ich aß mein Lebtag noch keine gerösteten Heu¬ 
schrecken, biß- aber doch darein, um meinen Gastgeber nicht zu beleidigen. 
Während er wenigstens ein Dutzend verzehrt hatte, kaute und würgte 
ich noch an öem ersten; dieser Braten wollte mir durtffaus nicht munden. 
Er merkte es und lächelte. Er deutete mir an, daß er vorderhand 
durchaus nichts anderes habe. 
Nachdem ich einige Zeit so zugebracht hatte, bat ich ihn, mein Roß 
wieder besteigen zu dürfen, was er auch bereitwillig zugestand. Als 
ich schon aus öem Pferde saß und wegritt, begleitete er mich und reichte 
mir mit aller Freundlichkeit die Rechte zum Abschiede. So endete dieses 
Abenteuer. 
Warum ich wein Leben behielt, welcher Jndianerstamm es war, 
woran ihr Häuptling mich als einen Priester erkannte, da ich doch wie 
jeder Reiter der Nachbarschaft gekleidet war, weiß ich bis zur Stunde 
noch nicht.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.