Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1926 (1926)

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Erlebnisse eines MissionsPfarrers 
in Texas. 
Mitgeteilt'von Dr. Bruno Schön, Minorit. 
Im Juni 1869 weilte der Generalkomwissär Pater Fidel Dehrn, 
aus dem Orden der PP. Minoriten in Amerika, in Wien und hat mir 
so manches erzählt, was uns Europäer interessieren dürfte und was 
ich gelegentlich mitteilen werde. Einer seiner Mitbrüöer, Pater Domi¬ 
nikus Mesens, Missionspfarrer in Castronille, unweit San Antonio in 
Texas, ein Mann in dem schönsten Mannesalter und noch voll jugend¬ 
licher Lebendigkeit und Tatkraft, war ebenfalls vor einigen Jahren 
hier und teilte mir Ereignisse aus seiner Seelsorge mit. So gut ich ver¬ 
mag, erzähle ich dieselben nach, indem ich ihn selbst sprechen lasse. 
Von der Seelsorge, bei uns in Texas haben die Europäer doch 
keine rechte Vorstellung, obgleich in den Missionsberichten, welche der 
Leopolöinnenverein in seinen Heften herausgibt, manches davon ent¬ 
halten ist. Ah, einen Versehgang oder Versehritt sollten Sie einmal 
sehen! Wahrlich Sie würden glauben, es gehe eher zu einem kriegeri¬ 
schen Angriff, als zur Ansspenöung der heiligen Sakramente. Warum 
das? Bien, so hören Sie mal. Da kommt so ein Farmer 30 englische 
Meilen weit öahergeritten und sagt: Herr Pfarrer, nur schnell das 
Pferd gesattelt, weine Frau ist zum Tode krank, eilen Sie, sonst stirbt sie 
ohne heilige Sakramente. — Nun heißt es: Kirchendiener, sattle die 
Pferde und gtb ihnen unterdessen etwas Hafer samt frischem Wasser, 
es gilt einen heißen Ritt, den wir mitsammen machen müssen. 
Während er dieses mit seinem und meinem Pferde tut — ein 
Kirchendiener oder Mesner, wie Ihr hier sagt, muß auch Stallknecht 
sein — schaue ich nach meinem Revolver und der Doppelbüchse, ob sie 
gut geladen sind, ziehe dann weine Reithosen und meinen Reitrock an, 
wie etwa eure hiesigen Priester Röchet und Stola, gehe in die Kirche, 
um das heilige Sakrament zu holen, hänge die Doppelbüchse über die 
Schulter und den Revolver an den Gurt, schwinge wich auf das Pferd, 
der Mesner tut desgleichen, und so sprengen wir fort, hopphopp, Galopp, 
durch Prärien, durch Buschwerke und Flüsse. Ha wie's dahin fliegt! — 
Das schuldige Gebet vergessen wir doch' nicht dabei, freilich jeder im 
stillen, der Mesner und ich. 
Wozu diese Bewaffnung nötig? Mon Dieu! sehr nötig, sag' ich 
Ihnen. Gegen Indianer, gegen Panther, Schlangen, die uns ihre Auf¬ 
wartung machen, ha! ohne daß man sich's versieht. Doch, mon cher, ein 
Exempel wird Ihnen das anschaulicher wachen, als alle Demonstration. 
Einmal saß ich in der Frühe nach der Messe bei meinem Brevier, 
uw die Horen zu beten. Ich war soeben mit der Terz fertig, als ich den 
Weg heraus einen Reiter sprengen hörte. Der hat es gnädig, dachte 
ich. Allons zum Fenster! Das Pferd zog aus und schäumte. — Der 
Reiter stand bei mir beim Fenster. „Herr Pfarrer," rief er mir zu, 
während er das dampfende Pferd anhielt, „schnell, schnell, um Gottes 
willen schnell! Meine Frau ist entbunden und zum Sterben; eilen Sie, 
sonst kommen wir beide zu spät. Ich begleite Sie."
	        
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