Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1926 (1926)

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die großen und kleinen Quälereien, welchen ich gleich vom An¬ 
fang an von Sem Oberziegler bis zum letzten Knecht ausgesetzt 
war. Während der Arbeit gab es Rippenstöße und Seitenhiebe 
in Hülle und Fülle für mich und während der Essenszeit Hohn 
und Spott über meine Mängel. 
„Er hört's ja nicht!" hieß es da. Aber gerade das, was ich 
nicht hören sollte, verstand ich unglücklicherweise meistens klar 
und deutlich. Christel Hards helle Stimme tat mir sogar wehe, 
nicht nur in den Ohren, sondern bis in das Herz hinein, wenn 
er dem Oberziegler sagte: „Diesen Bettelbuben nehme fest in's 
Geschirr, er ist ein Gauner und Teufelskerl wie sein Vater frü¬ 
her einer war, und der hat gemordet und gestohlen." 
Zum ersten Male dankte ich Gott für meine teilweise Taub¬ 
heit. Ich konnte bei diesen aufhetzenden Anklagen wenigstens so 
tun, als habe ich's nicht gehört. 
Der Oberziegler, ein Verwandter der Frau Hard, machte 
sich ein Vergnügen daraus, den Befehl Christels auszuführen. 
Mußte ich Lehm stampfen, so hatte er eine lange Weidenrute be¬ 
reit, mit welcher er mir die Richtung angab. Da sein Kommando¬ 
wort zum Beginn oder zum Aufhören stets so leise gesprochen 
wurde, daß ich's gar nicht hören konnte, erhielt ich je einige so 
empfindliche Hiebe auf die nackten Füße, daß ich vor Schreck und 
Schmerz hoch aufhüpfte. Dies gab dann ein schallendes Gelächter 
unter den Gesellen und einen Hochgenuß der Schadenfreude für 
Christel. Dessen Schwester, das kleine blasse Julchen jedoch, das 
zuweilen unfreiwillig Zeugin dieser Peinigungen war, lief wei¬ 
nend davon. An ihr hatte ich eine stille Freundin, welche )tzich tief 
bedauerte. Die Kleine konnte mir jedoch deshalb keine Erleichte¬ 
rung schaffen, weil ihre Mutter mich womöglich -noch mehr haßte 
als Christel,' klagte sie ihrem Vater meine Not, so bekam sie von 
Frau Hard eine heftige Rüge dafür! 
Eines Tages mußte der große Brennofen „ausgenommen" 
werden. Der Oberziegler befahl mir, nachdem die Lehmdecke ab¬ 
genommen war, mich in den glühenden Schlund hineinzubege¬ 
ben, um die Ware heraufzubieten. Das war eine Arbeit, welche 
sonst zwei geübte und kräftige Männer beanspruchte. Ich gehorchte. 
Anfangs ging es ordentlich vonstatten,' je tiefer ich aber in den 
Ofen, drang, desto heißer wurde die Luft und das Material, die 
Fausthandschuhe verbrannten mir an den Händen, die Kleidung 
klebte vom ausgepreßten Schweiß am Körper an und die zit¬ 
ternde Glühluft verhielt mir den Atem. Vergebens bat ich um 
eine Erholungspause. Mir war es, als stecke ich in der Hölle. Mit 
dem Seufzer „O Jesus, Erbarmen!" sank ich auf den brennend 
heißen Backsteinen zusammen. Als ich wieder zur Besinnung kam,
	        
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