Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1926 (1926)

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Eine romantische Hochzeitsreise. 
Vorüber war die Trauung, vorüber der Abschied. Die El¬ 
tern kehrten zurück. Kaufmann Roth und seine junge Gattin 
winkten ihnen vom Waggon aus noch einmal zu und fuhren da¬ 
hin, um die Flitterwochen auf einer romantischen Reise zuzu¬ 
bringen. 
Eine Träne glänzte in dem schönen Auge des liebreizenden 
Wesens, das Üor wenigen Stunden noch Fräulein Mehrheim — 
und nun Frau Roth hieß. Die junge Frau war indes überglücklich 
und glaubte ihr Lebensziel erreicht zu haben, als sie dem geachte¬ 
ten Kaufmann zur Seite saß und ihn: „Mein lieber, guter Mann" 
nennen durfte, und jene Träne war nur der süße Tribut, den ein 
scheidendes Kind seinen teuren Eltern zollte. Der zärtliche Gatte 
sah es nicht ungern, daß sie bei dieser ersten Trennung von ihren 
Eltern weinte! Hatten dieselben ja ihre einzige Tochter ausge¬ 
zeichnet erzogen und während achtzehn Jahren für dieselbe unauf¬ 
hörlich gesorgt und gearbeitet, so daß sie dem Bräutigam nicht nur 
ein treues Herz, sondern auch ein hübsches Vermögen entgegen¬ 
brachte. 
Die Trennung war jedoch kein Grund zu übergroßer Trauer. 
Sie sollte ja nur zwei Monate dauern, denn nach acht Wochen 
würden sie wieder nach Neuyork zurückkehren und in derselben 
Straße, ganz nahe bei den Eltern wohnen. So war es verabredet 
worden. 
Es war in der letzten Woche des Monats Juni. Sie gedach¬ 
ten den kommenden Monat über bei ihren Freunden in verschie¬ 
denen Städten des Westens sich aufzuhalten und den September 
in den reizenden Gegenden des Obern-Sees zu verleben. Herr 
Roth Hatte einige Sommer daselbst zugebracht und sehnte sich leb¬ 
haft darnach, auch seine Gattin dahin zu führen, wo er so schöne 
Tage verlebt hatte. Oft hatte er schon die eigentümliche Schönheit 
jenes Landes geschildert, die herrliche weite Wasserfläche des 
Sees, die einsamen, aber großartigen Urwälder der denselben 
umgebenden Berge, seine romantischen Streifereien und Jagd¬ 
partien daselbst und seine lustigen Kanoefahrten in den Strom- 
schnellen des St.-Marien-Falles und schloß gewöhnlich mit dem 
freudigen Ausrufe: „O, das war prächtig! Dahin muß ich wieder, 
aber dann, Agnes, mußt du auch mit." Auch heute zauberte er der
	        
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