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Heimgefunden.
Von Fritz Lenkenthaler.
Frau Sonne ist eine große Kinderfreundin und begleitet ihre
Lieblinge Lurchs ganze Jahr mit ihrem warmen mütterlichen
Segen. Hie und da aber schenkt sie einem Kinde besondere Zu¬
neigung und die ganze Liebe ihres Herzens. Sie teilt dann Mit
ihm täglich treu Freud' und Leid, Kummer und Jubel, Sorge und
Seligkeit!
So war es auch mit Robi, dem Kinder einer Hanöwerkers-
familie. Der war ihr besonders lieb, weil er ein richtiges Son¬
nenkind war mit goldenen Locken, heiterblauen Augen, jungrvten
pfirsichschwellenden Wangen, blühenden Lippen und schlanker,
biegsamer Gestalt.
Heute, am Weihnachtsabend, trug er eine weiße, pelzver-
brämte Mütze auf den Goldlocken, steckte im weißen Wollenwams
und kurzen Berglerhosen und in den dicken Wvllenstrümpsen,
darüber Ledergamaschen gezogen waren. Er hatte gerodelt, war
Ski gelaufen, hatte die Schlittschuhe probiert am Eisplatz. Aber
nichts wollte ihn freuen. Ihm fehlte seit langem der treue Behüter
seiner Jugend, der gute Vater. Der war mit in den Krieg ge¬
zogen und noch nie zurückgekommen. Man wußte nicht, war er
gestorben, verschollen oder gefangen; keine Nachricht hatte er ge¬
geben von sich schon seit einigen Jahren.
Früher hatte der Vater mit ihm gespielt, war mit ausgegan¬
gen zur Rodelfahrt, Skitour oder Eislaufübung, oder hinauf zur
Bergtour im schönen Bergsommer der Hochalpen. Jetzt war Robi
immer allein und sphlte sich sehr verlassen.
Heute, am Weihnachtsabend, ging. ihm der Vater besonders
ab. Er war ja immer dabei gewesen, wenn das Christkindlein
kam und seine Geschenke brachte. Was war ein WeihnachtsHaum
ohne den Vater, der darunter stand und die vielen Gaben ver¬
teilte? Robi war gar nicht froh aufgelegt! Um sich zu trösten,
ging er in die Kirche und sah nach dem Christkindlein in der
Krippe. Das war so lieb und hold anzusehen in seiner Armut
und Dürftigkeit und konnte doch alle Bitten erhören, besonders
die der Kinder. Robi wollte es versuchen und dem Christkindl sei¬
nen liebsten Weihnachtswunsch vortragen. Er war allein vor der
Krippe und betete deshalb laut: „Liebes Christkindl, ich habe einen
großen, großen Weihnachtswunsch! Ich möchte nicht Spielsachen,
Kleider, Bücher und Gebäck bekommen von dir, sondern nur den