Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1920 (1920)

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Runde, und die kleinen geröteten 
Hände machten sich mit einer verroste¬ 
ten Messerklinge zu schaffen. Erst 
unschlüssig und langsam, dann mit 
heißerer und heißerer Hast scharrten 
sie den Schnee fort, wühlten sie die 
bleiche Antlitz der Lauscherin. — War 
dieses Kind denn so verlassen von den 
Lebenden, daß es sich gleich ihr an die 
Toten wandte? 
Da stand es aufrecht. Welch eine 
kleine zarte Gestalt! — Sie strich sich 
- Fräulein Maria du in er 
in Bergern. Pfarre Bruckmühl, einzige Tochter am Jodltomerlgute, welche sich allenthalben 
seltener Beliebtheit und Hochschätzung erfreute, starb am 7. Dezember 1918 nach kurzer 
Krankheit (Grippe) an ihrem 23. Geburtstage. 
Erde aus. Und dazwischen immer wie¬ 
der der furchtsame Blick nach links 
— nach rechts, als gälte es, vor Spä¬ 
hern auf der Hut zu sein. — Was sie 
nur wollte, die arme Kleine? — Jetzt 
zog sie eine dünne blaue Papierrolle 
aus der Tasche ihres zerschlissenen 
Mäntelchens, und diese Rolle wurde 
mit geheimnisvoller Miene ins Grab 
gebettet und geschäftig mit Erdkrumen 
und Steinen bedeckt. 
Eine heiße Blutwelle schoß in das 
das blonde Haar aus dem erhitzten 
Gesichtchen und prüfte das vollendete 
Werk mit kritischen Blicken. — In der 
Stadt begannen die Mittagsglocken zu 
läuten. Beim ersten Ton fuhr sie zu¬ 
sammen, schaute verwirrt um sich, ver¬ 
barg dann das Messer unter den Fal¬ 
ten ihres Mantels und flog aus leich¬ 
ten Füßchen dem Ausgang zu. 
Jetzt knarrte die Gittertür in den 
Angeln — Melanie war allein. Ihr 
Herz schlug heftig. Die Ahnung, die
	        
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