Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1920 (1920)

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die da blühten und welkten, und für 
die armen Seelen zu beten. 
Und sie Hatte ihre Freude unter 
den stillen Schläfern — die, deren 
Ruhestätten niemand schmückte. Ein 
solches Grab hatte sie erst vor wenigen 
Wochen wieder entdeckt. Und dahin 
zog es sie seither mit unwiderstehlicher 
Gewalt. Auch heute näherte sie sich 
der bekannten Stelle. Dort winkte 
schon das weiße Kreuz, dessen Anblick 
sie immer so seltsam berührte. Corne- 
lie Fried hatte sie geheißen, die da un¬ 
ten schlief. Eine junge Frau, erst kürz¬ 
lich verstorben; ihr Gatte und ein Kind 
trauerten ihr nach. So erzählte we¬ 
nigstens das Kreuz. Der kahle, ver¬ 
lassene Hügel verneinte die Trauer. 
Aber diesmal — Melanie wich er¬ 
schrocken hinter die Mauer der nahen 
Kapelle zurück — diesmal kniete ein 
Kind am Grabe. Nicht in Andacht; 
die großen Augen blickten scheu in die 
Fräulein Marianne Huber 
Lehrerin in Gmunden, starb am 17. Oktober 
1918 um 2 Uhr nachmittags nach kurzem Leiden 
und Empfang der heil. Sterbesakramente im 
31. Lebensjahre an Grippe. 
Der Onkel war mittlerweile mit den 
Seinen nach einem andern Ort über¬ 
gesiedelt. Nur den kleinen Hans hat¬ 
ten sie zurückgelassen — unter dem 
Rasen. Und auch dies Grab hatte die 
verwaiste Seele angezogen. 
Es fügte sich, daß Melanie das Haus 
und den Garten erwerben konnte, an 
welche sich für sie so viele schmerzlich- 
süße Erinnerungen knüpften, und da 
lebte sie nun, sern von allem Verkehr 
und spann sich ein in ihre eigene Welt. 
Ach, es war eine traurige, liebeleere 
Welt. Und es war kein Leben. Es 
war ein stilles Dahinsiechen und Ster- 
Den der Seele. 
Melanie kam häufig auf den Kirch¬ 
hof. Hier liebte sie cs, zwischen den 
Gräbern zu wandeln, die Inschriften 
der Denksteine und Kreuze zu lesen, 
die Sprache der Blumen zu deuten, 
Frau Aloisia Gattinger 
Maschinenwärtersgattin in Steyrermühl, starb 
am 4. November 1918 im 32. Lebensjahre.
	        
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