Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1920 (1920)

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er belustigt und bedeckte das ratlose 
kleine Gesicht mit Küssen. 
„Nein" schrie das Kind, indem es 
sich mit Händen und Füßen gegen die 
Liebkosung sträubte, — „nein, laß 
mich! Ich mag dich nicht leiden. Ich 
will zu meiner Meanie." 
„Das glaube ich gern", entgegnete 
säglich weh tat mir der vermeintliche 
Spott dieser übermütigen Lippen." 
Ja, als rohen Spott hatte sie die 
unüberlegte Huldigung des jungen 
Fremden empfunden. Sie glaubte 
nicht, jemand anders gefallen zu kön¬ 
nen, als ihrem kleinen Hans. Zu 
wohl erinnerte sie sich, wie sie wegen 
Seehunde auf den Klippen in der Nähe des „Clisf House" in der Bai von 
San Franziska. 
lachend der junge Mann und legte 
den erhitzten Knaben in Melanies 
Arme, um mit gesenkter Stimme hin¬ 
zuzufügen: „Aber behalten darfst du 
sie nicht. Sie ist zu schön für -ich, 
deine Melanie." 
Und unbekümmert um ihren zür¬ 
nenden Blick ließ er eine Art Kriegs¬ 
ruf erschallen und gab sich neuerdings 
der Verfolgung der herbeistürzenden 
Kinder preis. 
„In welcher Erregung war ich da¬ 
mals zurückgeblieben!" murmelte die 
Träumerin am Grabe. — ,Meh, un- 
ihrer langen, mageren Gestalt von den 
einstigen Gefährtinnen verlacht wor¬ 
den war,' wie ihr die gelblich blasse 
Farbe ihres Gesichtes den Beinamen 
„Zitrone" eingetragen hatte. Daß sie 
seither an Anmut und Frische gewon¬ 
nen, und daß ihre reinen Züge der 
Spiegel einer edlen Seele waren, 
wußte sie nicht. Und sie fühlte etwas 
wie Haß in ihrem Herzen aufsteigen 
gegen den glücklichen Tollkopf, der es 
wagte, sich über sie, die Enterbte, die 
Freudlose, lustig zu machen. Aber 
während sie sich mühte, ihrer feind-
	        
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