Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1920 (1920)

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Eine alte Frau. 
Im Götzeubanerhof wurde Ernte¬ 
fest gefeiert) Geige«, Klarinetten und 
Flöten tönten durcheinander und aluf 
der Tenne >drehten sich die Paare. Nach 
dem Dankgottesdienst Hatte es ein 
reichliches Mahl gegeben und nach 
dem wurde getanzt. 
Das Erntefest im Götzenhof war 
berühmt! Alle jungen Leute im Dorf 
waren geladen) die Musik spielte ihre 
besten Weifen und der Götzbauer ließ 
viel Bier verabreichen, als jeder 
trinken wollte. Das war ein Kichern 
und Schäkern! Die Mädchen lachten 
und die Burschen stießen mit den 
Gläsern an! 
Auf dem grünen Platz im Garten 
standen lange Reihen von Tischen mit 
weißen Tafeltüchern bedeckt, und ein 
schlankes, hochgewachfen'es Mädchen 
ordnete da Tassen und Teller) sie trug 
ein blaues Nesselkleid und eine große 
weiße Schürze mit zierlichen Achsel» 
bändern) das dunkle Haar war schlicht 
in einen Knoten gefaßt, der Wuchtig 
trat Nacken ruhte) sie war so emsig bei 
ihrer Beschäftigung, daß sie nicht lein¬ 
mal aufschaute, und leinen Blick nach 
der mit Menschen gefüllten Tenne 
warf. 
Etwas abseits saß ein junger, 
städtisch gekleideter Mann, der still 
aber aufmerksam dem Treiben der 
jungen Leute zuschaute. Als er d.as 
Mädchen im Garten bemerkte, stand 
er rasch auf und näherte sich ihr auf 
Umwegen. 
„Paula", sagte er leise, „Paula, 
warum tanzen Sie nicht?" 
Die Angeredete schaute flüchtig 
ans. „Weil ich leine Freude daran 
finde", entgegnlete sie kurz. 
„Keine Freude? Dabei sind Sie 
noch jung" . . . 
„Jung?" fiel sie spöttisch ein. „Herr 
Rohnefeld, wollen Sie mich zum 
besten halten? Ich bin siebenund¬ 
dreißig Jahre." 
„Nicht möglich" . . . sagte er ver¬ 
legen. „Ich hielt Sie für zwanzig"... 
„Ich könnte Ihre Mutter sein, 
wie Sie hören." 
Des Mädchens kohlschwarze, präch¬ 
tigen Augen musterten den hübschen 
jungen MMn mit leichter Neugierde. 
„Wie haben Sie es angefangen, 
mit Ihren Jahren so jung auszu¬ 
sehen?" 
Sie zuckte mit dier Achsel. „Weiß 
selbst nicht." 
Paula stellte die letzte Tasse auf 
den Tisch und verließ den Garten. 
Der junge Rohnefeld ging aber nicht 
fort, er setzte sich auf eine Bank und 
wartete bis Paula wiederkam. Als 
sie erschien, sprang er aus, eilte ihr 
entgegen und nahm ihr den schweren 
Korb ab, den sie trug. Paula dankte, 
sie war ganz rot geworden. Er sah 
ihr still zu, wie sie die herbeigeschaff¬ 
ten Tassen verteilte. 1 
Paula sah wirklich jung aus, sicher 
aber nicht älter als vierundzwanzig 
Jahre. Der volle glänzende Scheitel 
enthielt kein Silberhaar und die Stirn 
war jugendlich glatt) sie war ein sehr 
hübsches Mädchen. 
„Beteiligen Sie sich wirklich nicht 
an dem Vergnügen?" 
„Nein." 
„Aber die Bäuerin bedarf Ihrer 
nicht, sie sitzt am Fenster und schaut 
dem Tanze zu." 
„Ja, dort fitzt sie) sie würde sicher¬ 
lich lachen, wollte ich altes Mädchen 
mit den jungen Leuten wetteifern 
und springen" . . . 
Mit diesen Worten eilte Paula 
fort in das Haus. Bald darauf ging 
es zum Kaffeetrinken in den Garten) 
die Burschen führten die Mädchen,ein 
Trompetengeschmetter begleitete sie 
dahin, und bald saßen alle und spra¬ 
chen dem Kuchen zu, der in großen 
Körben Herbeigeschafft wurde. Paula 
war mit einer großen weißen Por¬
	        
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