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Bisweilen scheint der Sache etwas Tat¬
sächliches zugrunde zu liegen, «eine Geistes¬
störung der betreffenden, die vielleicht
sogar epidemisch auftrat. Als klassische Bei¬
spiele der „Lykanthropie" werden in
Frankreich Peter Bourjet und Michael
Verdun angeführt, die 1521 bekannten,
Werwölfe zu sein. Der schrecklichste aller
Werwölfe aber wollte Johann Aegidius
Garnier gewesen sein, der im Jahre 1673
Werwölfe aber waren drei Schwestern aus
Jägerup, die sich an dem jungen Manne
rächen wollten, weil er eine derselben
nicht heiraten wollte.
Von einem Werwolf bei Oburg erzählt
Kuhn, von einer Werwölsin in Sachsen
berichtet Schöppner, auch im Unterharz
haben sich nach Pröhle solche Zaubertiere
zuweilen gezeigt. Wirft mau einem der¬
artigen Ungeheuer ein Stück Eisen oder
Bärenlager unter einem Windbruch.
zu Dale verbrannt wurde, nachdem er ge¬
standen, eine große Menge von Kindern
gefressen zu haben. Ein epidemisches Auf¬
treten der Lykanthropie endlich wollte man
in Polen und in der Türkei beobachtet
haben. In Deutschland gibt es Sagen von
Werwölfen lediglich in Schleswig-Hol¬
stein, in Mecklenburg, in Westfalen und
bei uns in Steiermark, Tirol und Salz¬
burg. Im folgenden teile ich eine Aus¬
wahl aus denselben mit.
Ein junger Mann aus Jägerup im
nördlichen Schleswig kam eines Abends
spät nach Hause. Da sprangen ihm plötz¬
lich drei Werwölfe entgegen, die ihn zwei¬
felsohne zerrissen hätten, wenn er nicht in
das nächste Roggenfeld gesprungen wäre,'
denn in Roggenfeldern haben diese Tiere
keine Macht über den Menschen. Die drei
Stahl an den Kopf, so wird, wie im west¬
fälischen Büren behauptet wird, ein split¬
ternackter Mensch daraus. Dem Wolfe
platzt dann das Fell vor der Stirne kreuz¬
weise, und der nackte Mensch kriecht aus
der Oeffnung heraus.
Bis in die Alpen hinauf begegnet man
Sagen von Werwölfen. So tat — nach
dem Berichte Busch' — ein solcher in der
Gegend von Graubünden den Schafher¬
den großen Schaden. Man hielt ihn an¬
fangs für einen gewöhnlichen Wolf, ob¬
wohl es, so oft man auch Jagd auf ihn
machte, nie gelang, die Bestie zu erlegen.
Endlich fiel den Leuten auf, daß er gar
nicht so scheu wie andere Wölfe war, son¬
dern sich ohne Furcht den Jägern näherte,
ja sogar oft in das Dorf bis an die Brun¬
nen kam und Wasser lappte, und zwar