Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1918 (1918)

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Das khreue Mullerherz. 
Erzählung von A. Stöhr. 
J. 
Da mweiß ich irgendwo ein Berg—⸗ 
dorf. Stillfriedlich liegt es im Tal⸗ 
grunde, die Häuser stehen ziemlich weit 
voneinander ab, dazwischen breiten sich 
grüne Anger und laubreiche Obstgär— 
ten aus. Ganz nahe neben dem Pfarr⸗ 
haus steht die Kirche. Um und um 
schließt sie der stille Friedhof ein. Ueber 
den Gräbern wuchern die blaßroten 
Nelken und anderes Zierkraut, und die 
eisernen Kreuze schauen fromm auf die 
Blumen nieder und auf die Toten un— 
ter ihnen, als wollten sie dieselben seg— 
nen Die Spahen düpfen und füegen 
in dem blütenreichen Geäst der Kasta— 
enbaume herum und treiben ihre 
Kurzweil, als wäre es gar nicht ge— 
weihter Bvdenn. 
8 ist überall schön auf dem Fried— 
hof, aber dort in der Ecke, wo die Ro— 
senlaube soeben ihre ersten Knospen 
erschließt, ist ¶an schönsten VSortan 
einem mit Blumen reich gepflegten 
Grabe kniet ein Mädchen und betet. 
Wer wohl unter dem grünen Hü— 
gel schlafen mag? Nun da brauchst du 
gar nicht lange fragen. Die guté, alte 
Mutter Friedmann. Und die auf ihrem 
Grabe kniet und betet ist ihre Töchter, 
So einem guten Mutterherzen 
kann nichts geschwinder ins Grab ver— 
helfen, als die Kränkung durch ein 
Kind. Und das war Mutter Friedmann 
in dem reichsten Maße widerfahren. 
Ihr Sohn, der Ludwig, hatte ihr gar 
manchen kummervollen Tag bereitet, 
er hatte einen Nagel um den andern 
in ihr schwarzes Bretterhaus geschla— 
gen und als es endlich fix und fertig 
war, da hatte sie sich gern hineingelegt. 
Sie war ja zu lebensmüde aus Krän— 
kung. — 
Du kannst es, lieber Leser, gar 
häufig sehen, wie bei Kindern, welche 
von den Eltern viel Vermögen erben, 
der Schmerz um dieselben von gar kur— 
zer Dauer ist. Selten geht er über den 
Beerdigungstag hinaus. Wie hätten sie 
aber auch Zeit um die Eltern zu trau⸗ 
ern; der Sohn hat ja an die gerichtliche 
Inventur, an die Verlassenschaftsab— 
handlung, die Tochter an ihre baldige 
Verheiratung zu denken, damit sie aus 
dem Hause kommt, oder an das Erb— 
teil, das ihr der Bruder auszahlen 
muß. 
Kaum kommt eines vder das an— 
dere dazu, zwei⸗ oder dreimal eine hei— 
lige Messe für die Verblichenen auf— 
zuopfern. So war es auch bei unserem 
dndwigg 
Die teure Mutter hatte noch kaum 
eine Nacht im kühlen Grabe geruht, 
als er auch schon von nichts anderem 
als von der Testamentseröffnung re— 
dete. Er konnte kaum den Tag erwar⸗ 
ten, an welchem das geschah. Wie 
taunte aber die Schwester, als dasselbe 
verlesen wurde. Nach demselben fiel 
ihr, die sie doch der Augapfel der Mut— 
ter gewesen war, nur ein ganz kleiner 
pflichtteil zu, während der Bruder, der 
der guten Mutter nichts als Leid und 
Kummer bereitet hatte, zum Universal— 
erben eingesetzt erschien. Dies konnte 
unmöglich mit rechten Diͤngen zuge— 
gangen sein, sagte Stanzi zu sich, und 
so war es auch. 
Wie es der Bruder angefangen 
hatte, um die Mutter zu einem solch 
ungerechten Willen zu bewegen, wie 
er's zuwege gebracht hatte, daß sie fast 
enterbt worden war, wußte nur der 
liebe Gott allein, sie konnte sich's nicht 
erklären. Sie konnte nur den Kopf 
schütteln und ihrem Staunen Ausdruck 
geben. Sogar der Richter nahm An— 
stand, das Testament als gültig anzu— 
erkennen. Als aber Stanzi durch den 
bitterbbsen Blick des Bruders einge—
	        
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