die mittellos zurückgebliebene Witwe,
die außer ihm noch für sechs Kinder
zu sorgen hatte, drang in den Sohn,
einen Beruf zu ergreifen, der ihn frü—
her zur Versorgung brächte. So war
er Förster geworden. Dann freilich
hatte sich das Schicksal gewendet. Seine
Geschwister waren bis auf die Resel
bald der Mutter gefolgt, die auch ihren
Mann nicht lange überlebt hatte, und
nicht viel fpäter war den beiden Ueber—
lebenden dem Förster und der Resel,
eine Erbschaft, nach einem entfernten
Verwandten zugefallen. Indes zum
Umsatteln und Weiterstudieren wars
für ihn doch schon zu spät geworden,
und übrigens gefiel es dem Linbacher
in seinem Berufe und hatte ihm ge—
fallen bis jetzt, bis sein Luigi von ihm
ging. Dem Buben zuliebe- ließz er sich
pensionieren. Von seinem Ruhege⸗
halte und den Interessen seines Ver—
mögens konnte er ganz gut, auch in
der Sladt leben Eigentlich wäre er
am liebsten gleich nach Innsbruck ge—
oden; dort war ja doch auch die uni-
versität, wenn der Loisl einmal Stu⸗
dent werden sollte. Aber jetzt hielt ihn
noch etwas im Süden zurück; gar zu
wen wollle er nicht weg von dem klei⸗
nen driedhofe nuf dem neben der
treuen alten Resi jetzt auch die Luci—
etta lag, der Sonnenschein setner spä—
ten Tage. Nach Trient hinunter war's
nicht gar weit; er zog in die alte Kon-—
zilstadt an der Etsch und der Ferse
hinab, und in den ehrwürdigen Gas⸗
fen der weischtiroltschen Haupistadt
fand der Loisl neue Freunde an Stelle
der Dörfbuben von Andalb.
Der Loisl ging ins Gymnasium;
er lernte gut, wenn er auch ein biß—
chen lebhaft und leichtsinnig war; am
besten aber lernte der Sohn Luciettas
die italienische Sprache. Auch von
den anderen Buben waren die mei—
sten am besten und vorzüglichsten in
der Sprache Dantes; kein Wunder, sie
waren ja doch „Italiener“ und ihr
Lehrer, ein schwärmerischer junger
Mann, an dem die meisten, zum min—
desten alle Italiener, hingen, bestärkte
sie in der Idee, daß sie zuvörderst im—
mer nur Italiener, erst in zweiter oder
noch weiterer Linie Tiroler oder gar
Oesterreicher sein sollten.
Der Loisl schloß sich diesen an; sei—
nem braunen Gesicht, seinen schwar—
zen Locken hatte er zu danken, daß
ihn der Professor auch als Italiener
gelten ließ — trotz des deutschen Na—
mens und der hellen Augen.
Und so lief der Loisl durch alle acht
Klafssen; der Luigi, sollt' ich sagen, denn
den „Loisl“ mochte er jetzt nicht mehr
hören. Er wurde schon zornrot, wenn
ihn der Vater so nannte. Ganz „Wel—⸗
scher“ war er geworden, der Sohn des
Linbacher, und seufzend dachte der Va—
ter oft darüber nach, was noch daraus
werden sollte. Noch hoffte er, daß die
Hochschulzeit (vielleicht konnte er ihn
statt in Innsbruck sogar in Wien stu—
dieren lassen) diesen Hang zum Irre—
dentismus wieder verschwinden machen
würde. Hätte der Linbacher allesgewußt,
so hätte er auch die letzte Hoffnung
fahren lassen; vielleicht auch hätte ein
Gewaltstreich seinerseits noch etwas
retten können. Aber daß der Luigi
Linbacher Mitglied einer geheimen
Verbindung war, die in ihren Konven—
tikeln offen nach der Vereinigung mit
dem regno connazionale rief, die alle
österrdichtschen Renegaten und den
Attentäter Oberdank feierte und heim—
lich die trikoloren Bänder trug, das
wußte Linbacher senior nicht, ahnte
es nicht einmal, sonst hätte er trotz
aller Rachsicht und Liebe sich den dum
men Buben einmal ordentlich herge—
nommen, er der k. k. Förster Linbacher,
der seinerzeit auch Soldat gewesen,
der im bosnischen Feldzuge sich die
kleine Silberne Tapferkeitsmedaille er—
kämpft hatte und sie stolz trug.
Die Zeit verrann; der Loisl stand
schier am Ende seiner Gymnasialstu⸗
dien; ein Jahr noch und er sollte die
hochschule beziehen. Da brach der
Krieg aus. Von Loisls Mitschülern
meldeten ein paar sich freiwillig; er
— —