Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1917 (1917)

die mittellos zurückgebliebene Witwe, 
die außer ihm noch für sechs Kinder 
zu sorgen hatte, drang in den Sohn, 
einen Beruf zu ergreifen, der ihn frü— 
her zur Versorgung brächte. So war 
er Förster geworden. Dann freilich 
hatte sich das Schicksal gewendet. Seine 
Geschwister waren bis auf die Resel 
bald der Mutter gefolgt, die auch ihren 
Mann nicht lange überlebt hatte, und 
nicht viel fpäter war den beiden Ueber— 
lebenden dem Förster und der Resel, 
eine Erbschaft, nach einem entfernten 
Verwandten zugefallen. Indes zum 
Umsatteln und Weiterstudieren wars 
für ihn doch schon zu spät geworden, 
und übrigens gefiel es dem Linbacher 
in seinem Berufe und hatte ihm ge— 
fallen bis jetzt, bis sein Luigi von ihm 
ging. Dem Buben zuliebe- ließz er sich 
pensionieren. Von seinem Ruhege⸗ 
halte und den Interessen seines Ver— 
mögens konnte er ganz gut, auch in 
der Sladt leben Eigentlich wäre er 
am liebsten gleich nach Innsbruck ge— 
oden; dort war ja doch auch die uni- 
versität, wenn der Loisl einmal Stu⸗ 
dent werden sollte. Aber jetzt hielt ihn 
noch etwas im Süden zurück; gar zu 
wen wollle er nicht weg von dem klei⸗ 
nen driedhofe nuf dem neben der 
treuen alten Resi jetzt auch die Luci— 
etta lag, der Sonnenschein setner spä— 
ten Tage. Nach Trient hinunter war's 
nicht gar weit; er zog in die alte Kon-— 
zilstadt an der Etsch und der Ferse 
hinab, und in den ehrwürdigen Gas⸗ 
fen der weischtiroltschen Haupistadt 
fand der Loisl neue Freunde an Stelle 
der Dörfbuben von Andalb. 
Der Loisl ging ins Gymnasium; 
er lernte gut, wenn er auch ein biß— 
chen lebhaft und leichtsinnig war; am 
besten aber lernte der Sohn Luciettas 
die italienische Sprache. Auch von 
den anderen Buben waren die mei— 
sten am besten und vorzüglichsten in 
der Sprache Dantes; kein Wunder, sie 
waren ja doch „Italiener“ und ihr 
Lehrer, ein schwärmerischer junger 
Mann, an dem die meisten, zum min— 
desten alle Italiener, hingen, bestärkte 
sie in der Idee, daß sie zuvörderst im— 
mer nur Italiener, erst in zweiter oder 
noch weiterer Linie Tiroler oder gar 
Oesterreicher sein sollten. 
Der Loisl schloß sich diesen an; sei— 
nem braunen Gesicht, seinen schwar— 
zen Locken hatte er zu danken, daß 
ihn der Professor auch als Italiener 
gelten ließ — trotz des deutschen Na— 
mens und der hellen Augen. 
Und so lief der Loisl durch alle acht 
Klafssen; der Luigi, sollt' ich sagen, denn 
den „Loisl“ mochte er jetzt nicht mehr 
hören. Er wurde schon zornrot, wenn 
ihn der Vater so nannte. Ganz „Wel—⸗ 
scher“ war er geworden, der Sohn des 
Linbacher, und seufzend dachte der Va— 
ter oft darüber nach, was noch daraus 
werden sollte. Noch hoffte er, daß die 
Hochschulzeit (vielleicht konnte er ihn 
statt in Innsbruck sogar in Wien stu— 
dieren lassen) diesen Hang zum Irre— 
dentismus wieder verschwinden machen 
würde. Hätte der Linbacher allesgewußt, 
so hätte er auch die letzte Hoffnung 
fahren lassen; vielleicht auch hätte ein 
Gewaltstreich seinerseits noch etwas 
retten können. Aber daß der Luigi 
Linbacher Mitglied einer geheimen 
Verbindung war, die in ihren Konven— 
tikeln offen nach der Vereinigung mit 
dem regno connazionale rief, die alle 
österrdichtschen Renegaten und den 
Attentäter Oberdank feierte und heim— 
lich die trikoloren Bänder trug, das 
wußte Linbacher senior nicht, ahnte 
es nicht einmal, sonst hätte er trotz 
aller Rachsicht und Liebe sich den dum 
men Buben einmal ordentlich herge— 
nommen, er der k. k. Förster Linbacher, 
der seinerzeit auch Soldat gewesen, 
der im bosnischen Feldzuge sich die 
kleine Silberne Tapferkeitsmedaille er— 
kämpft hatte und sie stolz trug. 
Die Zeit verrann; der Loisl stand 
schier am Ende seiner Gymnasialstu⸗ 
dien; ein Jahr noch und er sollte die 
hochschule beziehen. Da brach der 
Krieg aus. Von Loisls Mitschülern 
meldeten ein paar sich freiwillig; er 
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