Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1917 (1917)

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im Aberglauben. 
Von Edmund Gallus. 
Die alten Germanen blickten scheu 
und andächtig zum Himmel, wenn das 
Gewitter tobte und der Blitz krachend 
in die sturmgepeitschte Eiche fuhr. Auch 
bei ihnen belebte dann der Himmel sich 
mit tätigen Geistern, die den Aufruhr 
verursachten und das Getriebe lenkten. 
Es entstand so als wichtigste Begleit— 
erscheinung neben Donar und dessen 
Walten die Wodansmythe, der Glaube 
an den mächtigen Sturmesgott, der 
auf einem weißen Rosse, von kläffen— 
den Hunden begleitet, mit wildzerzau— 
stem Bart durch die Lüfte tobte, und 
daraus entwickelte sich die Sage vom 
„wilden Jäger“ oder dem „wütenden 
Heere“. Niemals hatte dieser Natur— 
glaube das deutsche Volk verlassen; 
„Wodan“ und der „wilde Jäger“ sind 
im Grunde genommen ein und das— 
selbe, nur verschieden geschmückt, Kin— 
der verschiedener Zeiten; sie sind so alt 
wie der deutsche Wald, der Vater des 
deutschen Dichtens und Trachtens. 
Besonders zieht der wilde Jäger 
um in den „Zwölf Nächten“, das sind 
die zwölf Nächte vor oder nach Weih— 
nachten, in Schwaben auch in den 
Frühlings- und Herbststürmen. Er 
zieht durch die Luft mit breitem Hut, 
mit seinen feurigen Hunden und ande— 
ren Tieren (roten und oft dreibeini— 
gen), mit gespenstischem Gefolge, näm— 
lich armen Seelen, besonders Seelen 
ungetaufter Kinder, oder von Jägern, 
die während ihres Lebens die Saaten 
zertraten, mit Hexen, die bisweilen 
ohne Kopf und ihre eigenen Gedärme 
mit sich schleppen, meist reitend, mit 
großem Lärm und Peitschenknall, Pfer— 
dewiehern, Hundegebell, mit Hallo 
und Hurra durch die Lüfte; zwingt 
Menschen, denen er begegnet, mitzu— 
ziehen und läßt sie dann, meilenweit 
entfernt, hoch aus der Luft herabfal— 
len, oder er dreht ihnen den Hals um 
und zerreißt sie, wirft Pferdeschenkel, 
meist auch Stücke von Fleisch, beson— 
ders von menschlichen Leichen herab. 
So ist der Ursprung der wilden Jagd 
aus dem Toben der Stürme augen— 
scheinlich; die „gZwölf Nächte“ sind meist 
Sturmzeiten; die herabgeschleuderten 
Pferdeschenkel sind wohl verwandt 
mit den Donnerkeilen, obgleich aller— 
dings die Zeit der Wintersonnenwende 
keine Gewitterzeit ist. Die feurigen 
Hunde deuten auf den Blitz, die Tiere 
iüberhaupt auf die Wolken und ihr 
Heulen und Bellen auf das Sturmes— 
heulen. Wenn Hackelbergs, des wil— 
den Jägers Hunde sich schütteln, so reg— 
net es Miedersachsen); wieder nach 
niedersächsischem Glauben jagt er auch 
einen Eber, der den Wirbelwind be— 
deutet, welcher die Erde aufwühlt; 
hauptsächlich aber bedeutet er die Ge— 
witterwolke, eine uralte Auffassung, 
die schon bei den alten Indern sich fin— 
det, wo der aus den Kiefern des dunk— 
len Tieres hervorragende Zahn auf 
den Blitz weist. Im Werragebiete 
zieht die ganze Jagd in eine tiefe 
Schlucht, die „Donnergrube“ — auch 
hier wieder die Verwandtschaft mit 
dem Gewitter. 
Das von dem wilden Jäger ver— 
folgte Weib ist die „Windsbraut“, her— 
vorgegangen aus dem altgermanischem 
Glauben, daß Wodan die Freya (pä— 
ter im Aberglauben zur Frigg, Holda 
die Glänzende, Leuchtende, zur Frau 
Holle usw. gewordene) verfolge. „Der 
Grundgedanke dieser deutschen Haupt— 
göttin ist die ernährende, fruchtbare 
Natur, sei es die regenschwangere 
Wolke, schon bei den Indern mit milch— 
gebenden Kühen verglichen, sei es die 
fruchttreibende, von den Himmels— 
mächten befruchtete Erde.“ In Böh— 
men und Bayern heißen die Wolken 
„Großmütter“, in Mitteldeutschland 
die Bergnebel „Bergweiber“. Wenn 
es schneit, so schüttelt nach norddeut— 
schem Volksglauben Frau Holle ihre 
Bettfedern aus. Eben, wie erwähnt, 
—
	        
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