Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1916 (1916)

Der Prediglvorspruch. 
Von P. G. M. Dreves 8. J. 
Zu Nürnberg lebte um die Wende 
des verflossenen Jahrhunderts ein 
Kandidat des löblichen Predigtamtes, 
der fast ein Menschenalter zuwarten 
mußte, ehe ihn eine der Landgemein— 
den zum Pfarrherrn erkor; obschon 
er im übrigen rechtgläubig und der 
Augsburger Konfession mit Eifer zu— 
des Herrn einmal anders als mit 
einer salbungsvollen Auslegung des 
einfallenden Evangeli oder der Sonn— 
tagsepistel zu feiern begehrte. So 
waren denn die Sonntage des Kan— 
didaten ausgefüllt mit vergeblichen 
Probepredigten auf den Kirchdörfern 
oder mit unerträglichen vratorischen 
Josef Bchweiger aus Ebensee 
mit seinen Kameraden beim Gefechtstrain des k.k. Landsturm-Reg. Nr. 2 in den Karpathen. 
getan war. Er hatte sich nämlich auf 
der Universität mit dem Bierkruge 
in ein intimeres Verhältnis eingelas— 
sen und glaubte man zu wissen, daß 
selbes noch immer in ungeschwächter 
Vertraulichkeit fortbestehe, was sich 
mit der Würde des geistlichen Rockes, 
dem der Kandidat übrigens die alt— 
väterlichen Schöße nicht unerheblich 
gestutzt hatte, nicht zum besten ver— 
tragen wollte. Solches war die Mei— 
nung des glatten Landes über Jere— 
mias Krummenscheidt. In der Stadt 
aber war er bei seinen, in saftigen 
Pfründen behaglich eingesessenen 
Amtsbrüdern ein willkommener Not— 
helfer, wenn einer derselben den Tag 
Hilfeleistungen bei Sankt Sebald oder 
Sankt Lorenz. 
Nun traf es sich, daß um dieselbe 
Zeit in derselben altbehäbigen Reichs— 
stadt ein pensionierter Oberst lebte, 
der in der Neuen Welt den Unabhän— 
zigkeitskrieg mitgemacht und einen 
Schuß in den linken Oberschenkel er— 
halten hatte, seit welchem Zeitpunkt 
er noch einen Gedanken steifer einher— 
tolzierte, als er dies bereits in un— 
angeschossenem Stande getan hatte. 
Ferner traf es sich, daß der Oberst und 
der Kandidat des löblichen Predigt— 
amtes sich des öfteren in einer Vor— 
stadtkneipe zusammenfanden, von der 
man sprach, es sei daselbst des lebhaf—
	        
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