Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1915 (1915)

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ständen Ihnen tun würde. Ich hatte 
wahrlich keine Hintergedanken." 
Ich erkannte, der arme, alte Mann 
lebte nur von den ihm gereichten Na¬ 
turalgaben. Jedes überflüssige Al¬ 
mosen wies er von sich. Ich hatte 
einen wirklich Zufriedenen gefunden. 
Was dem Diogenes mit seiner Laterne 
nicht gelang, mir wurde es zuteil — 
ich traf auf einen Menschen ohne Klage, 
ohne Bitterkeit, ohne Unzufrieden¬ 
heit. Solch ein Wesen ragt weit über 
die Säkular-Menschen hinaus! 
Wir gaben uns stumm die Hände. 
Pater Benignus. 
(Von Johann Lang.) 
Kennst du, freundlicher Leser, die 
Krankheit, durch die nicht nur das Por¬ 
temonnaie des Doktors und Apothe¬ 
kers gefüllt wird, sondern sogar der 
Patient zu einem Helfer und Berater 
der Menschen werden kann? Es ist das 
— Zipperlein. Einmal ward durch 
dieses sogar ein bedeutendes Volksver¬ 
mögen gerettet worden. Wie das ge¬ 
kommen, davon sollen die nachstehen¬ 
den Zeilen berichten. 
Im fruchtbaren Flachlanöe liegt 
ein freundliches Pfarrdörfchen. Bei¬ 
nahe ein volles Menschenalter war 
dortselbst einmal Pater Benignus 
Seelsorger. Als wäre er ihr eigen 
Fleisch und Blut, war er mit seinen 
Pfarrkindern verwachsen. Freud und 
Leid hatte er gar oft mit ihnen geteilt; 
von letzterem mehr als von ersterer. 
Als einstens eine böse Feuersbrunst 
einem großen Teile seiner Schäflein 
all ihr Hab und Gut geraubt hatte, 
flössen dank seiner rastlosen Tätigkeit 
von allen Seiten her reichlichst die 
Spenden. Jene, die damals glücklicher¬ 
weise verschont geblieben waren, sahen 
es jetzt beinahe als ein Unglück an, 
nicht auch von dem gierigen Elemente 
heimgesucht worden zu sein. 
Und wer möchte jene erkunden, de¬ 
nen er mit weisem Rate sonst irgend¬ 
wie nützlich gewesen. 
So hatte er es sich denn auch ver¬ 
dient, daß die Pfarrangehörigen ihn 
nach Jahr und Tag den „Vater Beni¬ 
gnus" nannten. Außer dem Lehrer- 
Organisten und dem Mesner wußten 
sie alle nicht, daß sie damit eben nur 
das lateinische pater verdeutscht hatten. 
In vorgerücktem Alter nun aber 
sollte es dem edlen Hirten „gegönnt" 
sein, auch auf jenem Gebiete zum Se¬ 
gen seiner Pfarrkinder zu werden, wo 
sonst der Bauer nur das Barometer 
oder heutzutage die Wetterprognose zu 
Rate zieht. Der würdige Pfarrherr 
wurde zum Wetterpropheten. 
Pater Benignus war körperlich 
nicht weniger als das, was sich gewisse 
Kreise in einem Pfarrherrn vorstellen. 
Nicht war er den Fleischtöpfen zuge¬ 
tan) auch König Gambrinus und der 
Weingott Bacchus zählten ihn zu sei¬ 
nen lässigsten Untertanen. Und doch 
ward ihm in späteren Jahren das zu 
teil, was die letzteren so gerne ihren 
treuesten Anhängern als Gaben spen¬ 
den: das Zipperlein. Er aber hatte es 
sich einzig und allein in treuer Pflicht¬ 
erfüllung bei Regen und Wind, Schnee 
und Frostschauer geholt. Und dieses 
machte ihn zum Wetterpropheten. 
Mehr oder weniger sollen es alle Gicht¬ 
leidenden sein. Die Beine waren der 
Sitz der Krankheit. Oft plagte sie ihn 
derart, daß er zum Altare , mit dem 
Stocke in der Hand schreiten und im 
Beichtstühle die in Wolldecke gehüllten 
Glieder, auf einem Schemel gestützt, 
ausgestreckt halten mußte. Mitleid 'er¬ 
regend ward dann oft das sonst die lau¬ 
terste Güte strahlende Antlitz des Dul¬ 
ders. Er aber ertrug sein Leiden mit 
heroischer Geduld und Ergebenheit. Ja, 
ihm war es schließlich ein wertvolles
	        
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