Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1915 (1915)

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Handen sein, als sichere Belege der aus¬ 
geliehenen Gelder? Doch nichts von 
alledem hat sich vorgefunden." 
„Es sind Pupilleugelder?" fragte 
Fräulein Hildberg. 
„Leider ja", antwortete der Apo¬ 
theker. 
„Wird dieses Haus, samt Inventar 
und Lager das Defizit decken, Herr 
Oderstedt?" fragte das junge Mädchen 
weiter. 
„Möglich, bestimmt kann ich es nicht 
behaupten. Sie wären alsdann eine 
Bettlerin." 
„Ich werde zufrieden sein, wenn die 
Ehre meines. Baters gerettet ist", ver¬ 
setzte Meta mit erhabener Ruhe. 
„Es gibt noch einen Ausweg, Ihre 
Zukunft sicher zu stellen, teure Meta", 
sprach der Apotheker, ihr näher rückend,- 
„verwirklichen Sie den Wunsch des Da¬ 
hingeschiedenen, reichen Sie mir Ihre 
Hand für's Leben — Sie sollen es nie¬ 
mals bereuen. Ich zahle noch heute 
die Summe — niemand erfährt etwas 
von dem Defizit —" 
„Ich danke Ihnen, Herr Oderstedt", 
unterbrach ihn Meta so ruhig wie zu¬ 
vor, „doch werde ich dieses Opfer von 
Ihrer Seite ebensowenig annehmen, 
als ich mich jemals um schnödes Geld 
verkaufen könnte. Sollte der Nachlaß 
meines armen Baters nicht hinreichen 
zur Deckung, dann werde ich Tag und 
Nacht arbeiten, um das Fehlende zu 
erstatten." 
„Der gute Wille ist in solchen Fällen 
stets das Meiste", lächelte der Apo¬ 
theker, „Ihre Hände haben das wirk¬ 
liche Arbeiten niemals versucht. Doch 
will ich Sie nicht drängen, liebe Meta, 
denken Sie über meinen Vorschlag nach 
und vergessen Sie dabei keinen Augen¬ 
blick, daß ich Sie innig liebe und der 
Wunsch Ihres so grausam hingeopfer¬ 
ten Vaters mir das Recht zu diesem 
Vorschlage gegeben. Bedenken Sie 
ferner, daß Derjenige, dem Ihr Herz 
gehört, so wie so für Sie verloren ist 
durch das Gesetz und wenn ihn dieses 
selbst freisprechen sollte, durch die 
Kluft, welche der Tod des Verklagten 
zwischen Ihnen und dem Jäger geöff¬ 
net hat. Heute Abend werde ich mir > 
Ihre letzte Entscheidung holen." 
Er reichte ihr die Hand, welche sie ! 
flüchtig berührte, erhob sich und ver¬ 
ließ rasch das Haus. 
Wie lange die unglückliche Meta in ! 
tiefste Gedanken versunken gesessen, ! 
wußte sie selber nicht. Als sie sich er¬ 
hob, blickte ihr Auge wieder ruhig und j 
entschlossen wie zuvor. Sie ging in ein ! 
Kabinett, um sich zum Ausgehen anzu- [ 
kleiden und verließ zum ersten Male ¡: 
nach jenem Unglückstage, in Pelz und ! 
Schleier gehüllt, wieder das Haus. 
Ihr erster Weg führte sie zu dem 1 
Bürgermeister der Stadt, der sie über¬ 
rascht, doch achtungsvoll und zuvorkom¬ 
mend empfing. 
Ueberrascht hörte er aus ihrem I 
Munde die Geschichte des Defizits, so- ! 
wie ihr Anerbieten, alles, selbst ihr 
mütterliches Vermögen zur Deckung 
desselben abzutreten. 
„Sie sind eine gute Tochter", sprach j 
er gerührt. „Ich werde die Sache nach ¡ 
Ihrem Wunsche ohne Aufsehen zu 
arrangieren und das Andenken ihres 
Vaters so viel als möglich zu schonen 
suchen. Vergessen Sie niemals, daß! 
Sie in mir einen treuen Freund und 
Ratgeber finden, Fräulein Hildberg." ! 
Sie dankte ihm herzlich und ging. ! 
Es war ein schwerer Weg für sie ge-! 
wesen, den Dornenweg zum Golgatha : 
ihrer Zukunft, wie sie sich innerlich 
sagte. 
Und doch ging sie erleichtert durch j. J 
die Straßen an den Menschen vorüber, 
die teilnehmend der Tochter des Er- . 
mordeten nachblickten. 
Jetzt trat sie in das Haus des Un-! " 
tersuchungsrichters. Sie war insofern * 
glücklich, als sie auch ihn zu Hause traf. * 
Es drängte sie, von dem Unglücklichen 0 
zu hören, den alle lieblos verdamm- j f 
ten und den ihr Herz doch freisprechen ‘ 
mußte. ? 
Der Richter war sehr artig gegen lc 
die Tochter des Gemeinderates und 
ging voll Teilnahme auf ihre Fragen 
nach dem Gefangenen ein.
	        
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