Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1915 (1915)

wiederholte immer nur: „Drei 
verurteilt." 
Diese drei verhängnisvollen Worte 
übten diesmal eine mächtige Wirkung 
auf die Fahrgäste wie auf die Beman¬ 
nung, die schon durch die Windstille 
und Schwüle arg bedrückt war. Ge¬ 
wöhnlich herrscht bei Sonnenauf- oder 
-Untergang eine leichte Brise, die eini¬ 
gen Wind für den kommenden Tag 
verheißt, heute aber regte sich kein Lüft¬ 
chen, und wir gingen daher sehr herab¬ 
gestimmt schon früh zu Bette. 
In der Nacht aber wurde es in 
einer der Passagier-Kajüten lebendig. 
Ich hörte gehen und laufen, und als 
ich aufstand, um mich zu erkundigen, 
was es gäbe, vernahm ich: der junge 
Sheden sei plötzlich an heftigem Fieber 
erkrankt. Am Morgen hieß es, auch ein 
Matrose sei unter den gleichen seltsam 
heftigen Fierbererscheinungen er¬ 
krankt, und als wir am Mittag die 
kleine Emily und ihren noch kleineren 
Bruder Richard allein auf dem Decke 
trafen, klagten sie uns mit tränenden 
Augen: die alte Etau sei schwer krank, 
und sie hätten sie doch so lieb, so lieb, 
allein sie dürften nicht zu ihr, denn sie 
habe à gar böses Fieber und rede 
gar wirres Zeug untereinander. 
Auch von Sheden und dem Matro¬ 
sen hieß es, daß sie im Delirium lägen. 
Der Zustand der drei Erkrankten war 
ein so gleichartiger, daß man beinahe 
annehmen mußte, es sei eine epide¬ 
mische Erkrankung und man begann, 
Ansteckung für alle auf.dem Schiffe zu 
befürchten, allein die übrigen befanden 
Freigebig. „Minna," fragt der Franz 
sein Kindermädchen und hält ihr ein kleb¬ 
riges Etwas entgegen, „itzt du gerne Bon¬ 
bons?" — „Ja", erwidert Minna, und 
schon steckt ihr der zärtliche kleine Bengel 
zwei in den Mund. — „Hat's gut ge¬ 
schmeckt?" fragt er dann nach einer Weile. 
- „O fein, Bubi!" — „Siehst du! Und der 
dumme Tyras hat sie nicht gewollt! Zwei¬ 
mal habe ich sie ihm in den Mund gesteckt 
und jedesmal hat er sie wieder ausge¬ 
spuckt!" 
sich und blieben wohl. Tief bedrückt 
zogen wir uns in unsere Kajüten zu¬ 
rück, doch ohne schlafen zu können. Ge¬ 
gen 2 Uhr morgens vernahmen wir 
Geräusch, wie vom Ringen zweier Per¬ 
sonen, dann Laufen und Rufen. Als 
wir auf Deck kamen, sahen wir etwas 
wie einen Schatten über Bord fliegen 
und dann ein Plätschern. Es war der 
arme Sheden gewesen, der sich im Fie¬ 
berwahne von seinem Wärter losge¬ 
rungen und ins Wasser gestürzt hatte. 
Wie mir Mrs. Penrose, die bei ihrer 
alten Dienerin gewacht, anderen Tags 
erzählte, hat sich die Negerin zur sel¬ 
ben Stunde aus der Apathie, in die sie 
während der Nacht verfallen, aufgerich¬ 
tet und feierlich gerufen: „Das Erste!" 
Am nächsten Morgen folgten nur 
mehr zwei Haie dem Schiffe. . 
Um Mittag starb der Matrose. Bald 
nachdem er fein Seemannsbegräbnis 
erhalten hatte und über Bord gesenkt 
worden war, verschwand auch der 
zweite Hai. Wieder soll sich die alte 
Etau aufgerichtet und gerufen haben: 
„Das Zweite!" 
Gegen Sonnenuntergang saß sie 
nochmals auf und mit dem Seufzer: 
„Das Dritte!" verschied sie. 
Auch ihr Leichnam mußte der Flut 
-übergeben werden. Da begann die 
Sonne sich zu senken, und eine frische, 
steife Brise fuhr über das Deck hin. 
Als wir anr nächsten Morgen er¬ 
wachten, sahen wir, daß das Schiff eine 
hübsche Strecke Weges zurückgelegt 
habe. Von Haifischen am Kiel des 
Schiffes war nichts mehr zu sehen. 
Liebevoll. Schwiegermutter: 
„Denke dir, Karl, ich habe irrtümlich Gift 
verschluckt! Was soll ich jetzt tun?" — 
Schwiegersohn: „Sterben!" 
Enfant terrible. Fritzchen: „Der Ka¬ 
narienvogel fingt ja gar nicht mehr, Tan¬ 
te," — „Der ist schon zu alt." — „Warum 
fingst ön denn noch immer, Tante?" 
Schnadahüpfl. A menschenleeres Plat¬ 
zerl gibts net in unserer Zeit, und wein ist' 
voll Zorn in d' Luft fliagst — da san a a 
wieder Leut. 
sind 
heiteres.
	        
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