Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1915 (1915)

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sich rasch seines Sonntagsgewandes, 
um es an der Stange neben dem Ofen 
zum Trocknen aufzuhängen. Dann 
ging Rost in die kleine Nebenkammei 
und kam bald darauf in geflicktem, 
aber reinlichem Werktagsgewande 
wieder zum Vorscheine. Sie ging so¬ 
gleich in den Stall hinaus, gab unter 
lustigem Singen den Tieren das 
Futter vor und ließ die Hühner her¬ 
ein, welche mit aufgeblasenen Federn 
so schon bei der Türe standen. ' 
Es war nicht gerade eine goldene 
Zeit, welche das Mädchen bei der 
alten Base verbrachte, und -och war 
es immer Heiter und guter Dinge. 
„Wenn ich auch noch grantig wäre, da 
könnte es lieb zugehen," dachte es sich,- 
„ist so trübselig genug." 
Die Base war krank und deshalb 
noch mürrischer, als sie von Natur- 
aus war. „Sie macht's nimmer lang," 
meinten die paar Leute, welche ab 
und zu bei der Waldhanne vorspra¬ 
chen, und jedesmal gab es dem Mäd¬ 
chen einen kleinen Stich ins Herz. 
Nach ihrer Weise war die Base doch 
gut mit dem vater- und mutterlosen 
Kinde gewesen und hatte es zu sich ge¬ 
nommen, so daß es wenigstens ein 
Heim besaß. 
Die Leute hatten recht gehabt. Nach 
einigen Wochen war die Waldhanne 
gestorben und Rosl alleinige Besitze¬ 
rin des kleinen Waldhüter-Anwesens 
geworden. 
II. 
„Es begeben sich in den Stand der 
heiligen Ehe: der Bräutigam Alexan¬ 
der Ebner, katholisch, großjährig, 
Knecht beim Grillberghofer. Die 
Braut: Rosina Haldegger, katholisch, 
großjährig erklärt, Besitzerin des 
Waldhüter-Anwesens." So las es der 
Herr Pfarrer von der Kanzel herab 
der Gemeinde vor. Ehehindernisse 
fanden sich keine und so hielt nach drei 
Wochen ein junges, kräftiges Paar im 
Waldhüter-Häuschen Einzug. 
Die Bewirtschaftung des kleinen 
Gutes brauchte nicht viel Arbeit, und 
so ging Lex die übrige Zeit zu den 
naheliegenden Bauern als Tagwer¬ 
ker. Auch Rosl ging mit, wenn sie 
nicht mit Waschen, Putzen oder Flik- 
ken beschäftigt war. Später hatte sie 
daheim genug zu tun und konnte nicht 
mehr ans Fortgehen denken, denn der 
liebe Gott hatte ihnen ein Buberl, 
den kleinen Paul, geschenkt. Der ver¬ 
zog sein Gesichtchen gar jämmerlich 
und weinte, daß er rot und blau 
wurde, wenn er die Mutter nicht sah. 
Seit das Häuschen stand, hatte es 
noch nie so viel Glück gesehen. 
Da kam eines Tages ein dicker, 
versiegelter Brief mit einer Menge 
von Poststempeln, welche die beiden 
Leutchen gar nicht lesen konnten. 
„Wo kann der her sein?" fragten sie 
einander und drehten ihn wohl zehn¬ 
mal in der Hand herum. 
„Für uns muß er sein- auf der 
Adresse steht deutlich der Name Ale¬ 
xander Ebner." Sie wußten im gan¬ 
zen Ort keinen zweiten Träger dieses 
Namens. Alexander stand ja allein 
und hatte keine Angehörigen. Vater 
und Mutter waren schon lange ge¬ 
storben. Der Vater hatte wohl einen 
Bruder, den aber Alexander gar nicht 
kannte, weil er früh schon die Heimat 
verlassen. Wohin, wußte niemand. 
„In Gottes Namen! Machen wir 
ihn halt aus. Wird wohl nichts 
Schlechtes drinnen stehen." Rosl stand 
neben ihm und schaute neugierig über 
die Schulter ihres Mannes, als er 
das Schreiben bedächtig auseinander¬ 
faltete. Miteinander lasen sie nun, 
was drinnen stand, und eines mußte 
dem anderen oft nachhelfen, wenn sie 
ein Wort nicht schnell zusammenbrach¬ 
ten. Der Brief lautete: „Ich habe laut 
Testamentsbeschluß die Verpflichtung, 
Ihnen mitzuteilen, daß der Bruder 
Jhres Vaters, Herr Johann Ebner, 
Farmer in Louisiana, Nordamerika, 
gestorben ist und Sie, als alleinigen 
Verwandten, zum Erben seiner Farm 
mit Zuckerrohrpflanzung eingesetzt 
hat. Ich ersuche Sie nun, mir sobald 
als möglich mitzuteilen, auf welche 
Weife Sie Ihre Erbschaft antreten
	        
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