Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1914 (1914)

90 
uns zu fressen, was hätten wir sonst zu 
erwarten! Packt zu!" 
„Dazu haben wir gar kein Recht! 
Wir sind nur Lie Spürhunde und 
müssen die Feinde suchen. Nach dir, 
Ostap, fahnden wir längst, und da wir 
-ich nun endlich haben, sollst du gerich¬ 
tet werden!" 
„Wer wird mich den verurteilen?" 
„Unser oberster Richter, der Wels, 
wir führen euch zu ihm hin! He, ihr 
Hechte, fasset die drei an, und auf zum 
Gericht! Ihr, flinke Kaulbarsche, 
schwimmt voran, und meldet im Ge¬ 
richt, daß wir Ostap Kurgus und seine 
zwei Freunde gefangen haben." 
Die Hechte umringten die Fischer 
und zogen sie immer weiter und tiefer 
mit sich. Unterwegs begegneten ihnen 
allerlei Fische, die sich ihnen frohlockend 
anschlössen. Ostap und die Genossen ru¬ 
derten kräftig mit Armen und Beinen, 
und schwammen nicht schlechter als die 
Hechte und Zander. Sie hatten den 
Sandboden verlassen und waren tiefer 
und tiefer geraten, wo der Steinboden 
begann. Dort, im tiefsten Morast, er¬ 
blickten sie den gewaltigen Wels, von 
kleineren Welsen und Karpfen umringt 
„Hm," dachte Ostap, „hier ist also 
der eigentliche Aufenthalt der Fische — 
und das wußte ich noch gar nicht!" 
„Oh, sieh mal an, wen ihr uns La 
bringt!" brüllte der Wels, seinen ent¬ 
setzlichen Rachen aufsperrend. Nun, 
Ostap, was wirst du sagen? Wie wirst 
-u dich rechtfertigen?" 
„Warum soll ich mich denn rechtfer¬ 
tigen?" fragte der Fischer. 
„Warum? Dreißig Jahre lang 
wirfst du deine schlauen Netze nach uns 
aus, fängst Fische, verkaufst sie und 
bringst sie nach der Stadt hin, wo sie in 
kochendes Wasser gelegt, in die glü¬ 
hende Sonne gehängt, und auf die 
brennende Butter geworfen werden. 
Und nach alledem fragst Lu noch, 
warum du dich rechtfertigen sollst?" 
„Da ist also nichts zu machen!" sagte 
Ostap. „Willst du mich fressen, so tu's, 
oder soll ich selbst in deinen Rachen 
kriechen?" 
jawohl, grad' in den Rachen, du 
Schlauer! So leichten Kaufes kommst 
du nicht davon." 
„Wie, das nennt man hier leichten 
Kaufes?" 
„Gewiß! — Aber nein, mein Täub¬ 
chen, wir wollen dich erst besalzen, 
dann in der Sonne rösten, dann auf 
der Pfanne braten, dann in kochendes 
Wasser werfen, und nachdem Eure 
Gnaden alles das empfunden haben, ! 
was uns, den Fischen, angetan wird, 
dann erst wollen wir euch verzehren!" 
„Hol der Teufel!" brummte Ostap 
mit zusammengebissenen Zähnen. „Das 
muß ja höchst widerwärtig sein!" 
„Wir wollen nur gleich ans Werk!" 
schrie der Wels. Wie auf Kommando: 
tauchten plötzlich drei Ungetüme, glatte ! 
Steine auf. Ostap und seine Genossen 
wurden auf sie gelegt, man schnitt 
ihnen Len Körper auf, nahm alles ! 
Ueberflüssige heraus und schüttete 
ihnen dann tüchtig Salz in den Mund, 
in die Nase, in die Ohren. Man machte 
ihnen noch Einschnitte in den Rücken 
und in die Brust, und schüttete dort 
ebenfalls reichlich Salz hinein, damit es 
den ganzen Körper durchdringe. 
„Nun, schmeckst's?" fragte -er Wels. 
„Nicht sehr!" antwortete Ostap und 
die Genossen. 
„Jetzt an die Sonne mit ihnen!" er¬ 
scholl es. Vier zentnerschwere Karpfen 
plätscherten an Ostap heran, nahmen 
ihn auf ihren Rücken und schwammen 
mit ihm bis an die Oberfläche des 
Wassers. Er briet und briet an -er 
Sonne, und dicht neben ihm brieten 
seine Genossen. Als sie wieder auf den 
Grund kamen, standen schon die Brat¬ 
pfannen auf einem Scheiterhaufen für 
sie- bereit. 
„Bratet sie nur recht krustig, und 
vergeht nicht Len Rahm, das schmeckt 
besser!" sagten die Karauschen. Ostap 
und seine Freunde drehten sich auf der 
Pfanne von einer Seite zur anderen 
vor Schmerz. Aber der grausame Wels 
hatte noch immer nicht genug. 
„Mehr Butter her!" rief er, „und 
Kartoffeln, ja, tüchtig Kartoffeln. Hei, 
wie lecker wird das munden!" 
„Fertig!" sagten Karauschen.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.