Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1914 (1914)

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Der Arbeilsbauer. 
Von Karl B e r n r eite r. 
So nannten sie ihn — den gebeug¬ 
ten Huber Franz mit den weißschim¬ 
mernden Haaren und knochigem Ge¬ 
sicht. Nicht bloß darum, weil er sich 
bei der Arbeit so überhastete und sein 
Leivjprüchlein: „Leutele, arbeits!" ste¬ 
tig gebrauchte, sondern, weil er keine 
Kinder besaß. 
„Der hat's auch nötig," meinten sie 
spöttisch: „Als ob seine lachenden Er¬ 
ben nicht genug bekommen würden." 
„Vielleicht eben deshalb, weil er 
so allein ist," gab ihnen einmal jemand 
zur Antwort und glaubte die Wahr¬ 
heit zu erraten. Doch in Wirklichkeit 
nahm der Arbeitsbauer stumpfsinnig 
sein Schicksal entgegen und erst eine 
deutliche Klage seines Weibes konnte 
ihm einige Gedanken über dasselbe ab¬ 
ringen. Dann schien es freilich, als 
wollte er seiner Arbeit einen Einhalt 
tun; griff aber bald wieder mit dop¬ 
pelter Hast ein. 
Eines Abends saß er auf der Ofen¬ 
bank, wo er sein Mahl eingenommen 
hatte und begann einzunicken. Er sah 
gar nicht, wie sein Weib emsig umher¬ 
trippelte, als hätte sie etwas auf dem 
Herzen. Plötzlich blieb sie vor ihm 
stehen. 
„Franz, weist du's schon — die Jä¬ 
ger-Marie ist gestorben." 
Er ließ seine Pfeife fallen und be¬ 
mühte sich, die Augen offen zu halten. 
„So — hm — wenigstens ist sie er¬ 
löst," gab er gleichgültig zur Antwort. 
„Sie — ja! Was wird aber mit 
ihrem Bub'n geschehen?" 
Die glanzlosen Augen der Bäuerin 
hafteten auf ihm und eine leichte Erre¬ 
gung durchzitterte ihren gebrechlichen 
Körper. Und als er wieder gleichgültig 
eine Schulterbewegung machte, nahm 
sie einen Stuhl herbei und setzte sich 
ihm gegenüber. 
„Franz — ich denke — wir sind so 
allein und da — da könnten wir diesen 
Buben zu uns nehmen." 
Der Arbeitsbauer fuhr zusammen 
und blickte zu Boden, als ob ihn ein 
Schuldbewußtsein an ihrem Alleinsein 
bedrücke. 
„Wenn du glaubst —?" 
„Ja, ich glaube!" sagte sie fest und 
ihr Gesicht begann sich zu röten: 
„Schau — wir plagen uns jahrein und 
jahraus und wissen schließlich nicht, 
für wen. So aber tun wir ein Gottes¬ 
werk und können einmal ruhiger ster¬ 
ben —" 
Er blickte sie verständnislos an 
und wie aus einem schweren Traume 
erwachend, begann er langsam zu be¬ 
greifen. Noch niemals hatte er dar¬ 
über nachgedacht, was mit ihrem Ver¬ 
mögen einmal geschehen sollte. Und als 
sie ihn jetzt wie bittend bei der Hand 
nahm, war er mit ihrer Absicht gänz¬ 
lich einverstanden. — 
So kam der verwaiste Jagerseppl 
zu dem Arbeitsbauern dort oben auf 
dem Berge. Er war ein schwächlicher 
Junge, kaum fünfzehn Jahre alt und 
hatte ein paar verträumte Augen, die 
traurig in die Welt blickten. Es schien, 
als könnte er seine Mutter nicht ver¬ 
gessen. 
„Der wird's auch nicht gar lange 
machen," sagten die Dörfler: „Jnsbe- 
sonders beim Arbeitsbauern." 
Doch der bisher in Not aufgewach¬ 
sene Bursche bekam bald ein besseres 
Aussehen und wurde von der Huber¬ 
bäuerin fest gehätschelt. Die schlum¬ 
mernde Mutterliebe war bei der kin¬ 
derlosen Frau erwacht und machte sie 
zu einer glücklichen Matrone. Nicht 
genug konnte sie „ihren" Seppl das 
beste Gericht vorsetzen und mit frischer 
Wäsche versorgen. 
„Ich glaube, es wäre bald Zeit, daß 
er mir bei der Arbeit hilft," sagte der 
Arbeitsbauer eines Tages, als er ganz 
erhitzt vom Felde heimkam. 
Da erschrak die Bäuerin und ent- 
gegnete leise:
	        
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