Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1914 (1914)

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Pater Rupert nicht genug, er setzte alle 
Hebel in Bewegung, um dem armen 
erblindeten Jüngling Aufnahme in 
ein Blindeninstitut zu verschaffen und 
der kränklichen Mutter genügenden 
Lebensunterhalt zu sichern. Hans We¬ 
ber war diese tätige Teilnahme des 
edlen Priesters willkommene Gelegen¬ 
heit, mitzuwirken und aus diesem Ver¬ 
kehr wurde herzliches Vertrauen und 
Verehrung für den Pater Rupertus. 
Die leise Entfremdung, die ihm in den 
Sturm- und Drangjahren dem Klerus 
gegenüber befallen, begann mit man¬ 
chen aus wahlloser Lektüre entsprosse¬ 
nen Vorurteil zu weichen. Nun kam 
der Tag, da die Binde von den Augen¬ 
höhlen des Verunglückten fiel. Pater 
Rupertus war ihm nahe, er machte 
nicht viele Worte. Er betete mehr und 
streichelte die ringenden Hände des 
Jünglings. — „Mei Mutterl, mei 
armes Mutterl, wer wird für dich ver¬ 
dienen?" Da wußte Pater Rupertus 
Rat und das sänftigte den Jammer 
etwas — aber leicht war es nicht, ein 
so blühendes, bis dahin im Vollbesitze 
seiner Sinne frohes, nun rettungslos 
im Dunkel begrabenes Leben vor Ver¬ 
zweiflung zu bewahren. Es war ein 
heißer Kampf. Hans Weber lebte das 
alles mit, er wußte, wenn der Jüng¬ 
ling sich in sein entsetzlich verändertes 
Leben schicken konnte — es geschah 
Macht seines Glaubens. Je öfter er 
durch die Reihen der Leidenden wan¬ 
delte, desto überzeugter gewahrte er 
die Geduld, ja Siegesfreudigkeit. Die 
Aerzte tun viel, das gestand er zu; 
aber selbst ihre Erfolge können sich 
dann am gedeihlichsten entwickeln, wo 
der menschliche Wille klaglos zu allen 
Notwendigen bereit in Gottes Willen 
ruht und auch ihre Vorschriften als 
Aeußerungen dieses Willens pünktlich 
erfüllt. Wans Weber nahm alles mit 
ehrlichem Sinn, mit unverdorbenem 
offenen Herzen auf — und drei Wochen 
später war seine Berufswahl bestimmt. 
Vom Natur- vom Menschenreich war 
er bis zum Gottesreich der Gnade ge¬ 
kommen, Mittler wollte er den bei¬ 
den andern — er wollte Priester wer¬ 
den. 
Der Schnaps in russischen Volksschulen. 
Eine amtliche Feststellung in der Kartoffeln. Von den 6721 Schülern sind 
russischen Stadt Jekaterinodar hat das 
traurige Ergebnis gehabt, daß von 
6721 Schülern 27.8 Prozent eine sehr 
schwache Gesundheit besitzen. Als 
Grund dafür ist die empörende Tat¬ 
sache angeführt, daß außer schlechten 
Wohnungsverhältnissen und schlechter 
Ernährung besonders der vorzeitige 
starke Alkoholgenuß die Gesundheit 
der Kinder zerstört. Von den 5721 
Schülern sind 43 Prozent unzulänglich 
genährt, weit über die Hälfte aber — 
man bedenke dabei, daß es sich um 
Kinder von sechs bis vierzehn Jahren 
handelt — sind gewohnheitsmäßige 
Branntweintrinker. Ueberhaupt kein 
Essen erhalten am Morgen 18 Proz.; 
12 Prozent bekommen nur ein Glas 
dünnen Tee; 27 Prozent erhalten küm¬ 
merliche Nahrung. Das Mittagessen 
besteht bei 28 Prozent aus Kohl und 
3500, also mehr als 62 Prozent 
Schnapstrinker. Viele von diesen haben 
sich bereits vom vierten Jahre an an 
den Alkohol gewöhnt, mit sieben Jah¬ 
ren fingen 20 Prozent an, mit acht 
Jahren 26 Prozent usw. Aus die Frage, 
wer sie das Schnapstrinken gelehrt 
habe, antworteten 67 Prozent: die 
Eltern, dabei überwiegend die Mut¬ 
ter (!). Andere lernten es von Bekann¬ 
ten. Die Mädchen sind meistenteils von 
Frauen dazu verführt worden. Es sei 
dazu bemerkt, daß in Jekaterinodar 
keine Ausnahmeverhältnisse herrschen, 
sondern daß die Trunksucht der Kinder 
in ungefähr gleichem Matze fast in 
allen Gebieten Rußlands besteht, und 
zwar- ist sie im Zunehmen begriffen. 
Erst in neuerer Zeit haben sich Kinder¬ 
schutz- und Ernährungsvereine gebil¬ 
det, um dem Elend zu steuern.
	        
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