Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1914 (1914)

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Und wieder macht der kleine Jude 
eine kurze Pause. Es scheint ihn etwas 
zu bedrücken. Dann nimmt er sich einen 
Anrann. 
„Werd' ich Ihnen 'was verraten, 
Euer Gnaden! Macht das 'was? Der 
Davidl ist etwas schwach auf der 
Brust!" Er starrt den Gestrengen 
ängstlich an. Der macht ein zweifel¬ 
haftes Gesicht. „Aber er werd' sich aus- 
wachsen mit der Zeit!" setzt Herr Aller¬ 
hand hastig hinzu. 
Der Gestrenge lächelt wieder. „Mög¬ 
lich. Er muß aber, wenn er aufgenom¬ 
men sein will, ein ärztliches Zeugnis 
beibringen, daß er fürs Forstfach kör¬ 
perlich geeignet ist." 
Ueber die Züge des alten Inden 
fliegt ein seliges! Lächeln. 
„Sonst nix? — Werd er bringen ü 
Zeugnis vom Herrn Doktor Hirsch." 
„Schön! Also, adieu!" 
Herr Allerhand empfiehlt sich wie¬ 
der devot und schreitet gegen die Tür, 
wo ihn Frau Flora Allerhand erwar¬ 
tet. Wieder tuscheln die beiden eine 
Weile miteinander. Diesmal dauert's 
länger. 
Dann schreitet Herr Allerhand wie¬ 
der gegen den Tisch. Dort bleibt er 
stehen, sagt aber nichts. Der Landes¬ 
forstinspektor tut so, als wenn er nichts 
merken würde und liest in seinem Akt,' 
heimlich wartet er auf die Anrede. 
Endlich räuspert sich der kleine 
Jude. Sein Gegenüber blickt, schein¬ 
bar überrascht, auf. 
„Wollen Sie noch etwas?" 
„Ich muß sein ganz offenherzig, hat 
gesagt mein Weib, die Flora. — Macht 
das 'was, Euer Gnaden: der Davidl 
hat Plattfüß'." 
Diesmal sieht er den Landesforst¬ 
inspektor nicht mehr so ängstlich an. 
Der Doktor Hirsch wird ihm ja sicher 
ein Zeugnis geben, trotz der „Platt- 
süß", denn der Doktor Hirsch ist jn 
einer „von seine Leut'" und ißt Gün¬ 
seln und Gansfett unendlich gern. 
Der Landesforstinspektor schweigt 
wieder ein Weilchen,' dann lächelt er 
ein wenig. 
Und Herr Emmerich Allerhand lä¬ 
chelt auch und benützt rasch wieder die 
Pause, um dem Landesforstinspektor 
zuvorzukommen. 
„Wenn ü reicher Jüd hat studiert 
und hat Plattfüß, so kann er werden 
Freiwilliger bei die Dragoner oder bei 
der Artillerie und werd ä Leutnant,' 
warum soll nix werden können ä ar¬ 
mer Jüd, der studiert hat die Forst¬ 
schul', ä Förster mit Plattfüß?" 
Da Herr und Frau Allerhand einige 
Minuten später die Treppe herabstei¬ 
gen, bleibt Herr Allerhand, der voran¬ 
geht, plötzlich steh'n und schaut seine 
Frau traurig an. 
„Flora, du tust mer leid! Du wirst 
nix sein können stolz, wenn du geh'n 
wirst mit dem Davidl, denn der Hirsch¬ 
fänger werd ihm nix herunterhängen!" 
Und er weist mit dem Finger die 
Treppe hinauf gegen die Tür, die sich 
soeben hinter ihnen geschlossen hat. 
„Weil der doch ist ä Antisemit!" 
Julius S y r u t s ch e k. 
Heiteres. 
Der genarrte Gendarm. 
„Wollt Ihr da herausgehen aus dem 
Haber!" — „Herr Gendarm, da werden 
S' Ihnen irr'n, oder meinen'S' mir? I 
bin aber bloß oaner!" — „Gehst Du jetzt 
gutwillig aus dem Haber oder nicht?" — 
„Herr Gendarm, da werden S' Jhna irr'n 
— das is ja a Gersten und koa Haber!" 
— Jetzt will der Kerl mich auch noch be¬ 
lehren! -Ob Er gleich hinausgeht aus 
der Gersten — oder ..." (Zieht sein No¬ 
tizbuch heraus.) — „Herr Gendarm, da 
werden S' Jhna irr'n — das is ja m e i n 
Gersten, da werd i wohl 'neingeh'n 
dürfen."
	        
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