Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1914 (1914)

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. Die heilige Fichte bei Gmunden. 
^ Nach einer Volkserzählung mitgeteilt von Herrn Schuldirektor Linüenthaler. 
U Der Postillon stieß ins Horn nnd 
t entlockte demselben einige Mißtöne, 
t Diese nnd ein tüchtiger Stoß des Wa- 
e gens rüttelten mich aus süßem 
; Schlummer. Mein erster Blick fiel auf 
e den schönen Spiegel des Traunsees; 
. ein zweiter auf das mit einem leichten 
Wölkchen umschleierte Profil des nn- 
! glücklichen Ludwig XVI. von Frank¬ 
reich) -- und knarrend schleifte 
mein Wagen mit gesperrtem Hinter¬ 
rade über die steinige Anhöhe hinab) 
* — — jetzt rollten wir an einem Eisen¬ 
bahn-Fuhrwerk vorüber) — — jetzt 
über die Brücke, welche die Vorstadt 
1 Traundorf mit der eigentlichen Stadt 
c Gmunden, dem alten Laciacum der 
' Römer verbindet, — — und jetzt hiel- 
' ten wir vor dem „Goldenen Schiff". 
s| Es war ein herrlicher Vormittag, und 
l ich beeilte mich, die paar Stündchen 
c | vor Tische zu einem Ausflug in die 
-! nächste Umgebung zu benützen. 
Schwelgend in der herrlichen Aus- 
, sicht auf die Reize des im Hellen Son- 
, nenscheine liegenden Tales, auf den 
- zwischen Felsen hingegossenen See, 
auf den Himmelreichberg, auf den 
. majestätischen Traunstein, nnd auf alle 
c die nahen und fernen Höhen, war ich 
> sortgeschlendert und so zufällig auf 
. einen Platz, nordöstlich von Gmunden 
> gelangt, wo ich mich erinnerte, vor un- 
> gefähr zwanzig Jahren gestanden zu 
i sein. Gewisse Erinnerungen bleiben der 
: Seele oder werden schnell wieder auf- 
. gefrischt, und so sah ich mich auch jetzt 
sogleich nach jenem merkwürdigen 
' Baum, der sogenannten heiligen 
: Fichte, um, welche ich damals bewun¬ 
dert hatte) aber ich war überrascht, von 
dem Baume kaum eine Spur zu finden, 
i da ich doch damals erfahren hatte, daß 
dem Besitzer desselben für die Scho- 
. mtttfl vor der Art des Holzschlägers 
von der Stadt Gmunden alljährlich 
eine bestimmte Summe Geldes ausge¬ 
zahlt werde. Dieser seiner Gestalt nach 
ausgezeichnete Baum befand sich eine 
Viertelstunde oberhalb Pinsdorf, in 
der Nähe des sogenannten Pappen¬ 
heimer Hölzchens. Er hatte beinahe die 
Form einer Monstranze, daher nach 
einigen sein Name, nach anderen aber 
— und ich zähle hierunter ein altes 
Weibchen, welches mit Sammeln des 
abgefallenen Reisigs beschäftiget, sich 
rüstig um ihn herumtummelte — soll 
er in älterer nnd neuerer Zeit der 
Wunder manche erwirkt und daher von 
dem gläubigen Volke das Prädikat 
„h eilig" erhalten haben und aus 
eben dieser Ursache war auch sein 
Stamm von einzelnen besonderen Ver¬ 
ehrern mit Abbildungen von Heiligen 
reichlich behängt worden. 
Dem sei nun, wie ihm wolle) so 
viel ist gewiß, daß seine wunderwir¬ 
kende Kraft dennoch nicht dem Zahne 
der Zeit oder vielmehr dem des holz¬ 
modernden Borkenkäfers zu wider¬ 
stehen vermocht hatte) denn im Jahre 
1827 ward er von diesem hart mitge¬ 
nommen, so daß man, um den eigent¬ 
lichen Stamm zu retten, mehrere sei¬ 
ner Hauptäste, an denen sich das fres¬ 
sende Uebel, nämlich eben jener Bor¬ 
kenkäfer zeigte, weghauen mußte.-- 
Der Untergang dieses merkwürdi¬ 
gen Baumes ist zu bedauern. Er war 
durch die Bereinigung mehrerer 
Stämme zu einem gebildet) dritthalb 
Klafter von der Erde entfernt begann 
sich die Krone zu formen, indem an den 
vier gegenüberstehenden Seiten in Ge¬ 
stalt eines V die Zweige in die Höhe 
strebten. Der Hauptstamm stieg aus 
dem Mittelpunkte der Hauptzweige, 
gleichsam das Zentrum der Krone bil¬ 
dend, senkrecht empor. Sowohl dieser 
Stamm, als die Hauptzweige waren 
mit vielen Aesten bewachsen, die alle 
die gleiche Bildung mit den erwähnten 
Hauptzweigen hatten. Auf diesen aber, 
sowie auf den größeren Zweigen des 
Baumes überhaupt, erhoben sich viele 
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