Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1914 (1914)

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„Acht Tage? Und wir haben kaum 
mehr für zwei zu essen! Was hast denn 
du hier zu tun?" 
„Könnten wir nicht in der Nacht 
am Lager vorbeikommen?" 
„In der Nacht? Bei Vollmond 
gibt es keine Nacht! Was hast denn 
du bei den Pahnas zu tun?" 
Der arme N. war perplex. 
Was nun: sagte er sich. Bleibe ich 
hier, so sterbe ich morgen, fahren wir 
zurück, so liefern diese mich aus. Ich 
bin doch in dies verfluchte Land nicht 
hergekommen, um da zu sterben als 
Lflgh Mascha 
der Verteidiger von Skutari. 
Märtyrer wie jene Ueberspannten ... 
Auch hätten sie diese Wilden schon 
längst bekehren können . . . Das soll 
man nicht dulden, daß diese nieder¬ 
trächtigen Schwarzen so mit dem 
menschlichen Leben umgehen können! 
Diese und ähnliche Gedanken 
durchkreuzten seinen Kopf, als er plötz¬ 
lich den Hafen mit Teer gefüllt sah, 
das man für allfällige Havarien mit¬ 
genommen hatte, und ein Hoffnungs¬ 
strahl, einer jener mächtigen Geistes¬ 
blitze, erleuchtete seine verzagte Seele: 
Ich kann mich ja schwarz machen! 
Diesmal ließ er sich in kein Ge- i 
jpräch mit dem Kapitän ein, sondern , 
verlangte schnell ans Land gesetzt zu 
werden, ließ sich den Teertiegel reichen 
und verbarg sich damit in einem dich¬ 
ten Gebüsch, 
Der Kapitän wartete und wartete 
und schon begannen er und seine 
Mannschaft zu fürchten, es sei ihm ein 
Unglück begegnet, als endlich ein 
großer Neger hervorkam. Es war 
Herr N. 
Vor Staunen und Verwunderung 
brachten sie anfangs keinen Laut von 
sich, aber dann löste sie sich in eine so 
kräftige Lachsalve auf, daß eine Bande 
Papageie erschreckt auffuhr und krei¬ 
schend das Weite suchte. Das wurde 
als gutes Vorzeichen erklärt. 
Nachdem der geistreiche N. endlich 
mit Mühe eine beiläufige Ruhe wie- j 
der hergestellt hatte, denn die von Na¬ 
tur Schwarzen wanden sich noch im¬ 
mer und hielten sich den Bauch vor 
Lachen, fragte er sie durch seinen klei¬ 
nen Dolmetscher: „Nun, was glaubt 
ihr, werden sie mich jetzt noch für einen 
Weißen halten?" 
„O nein! Sicher nicht!" 
„Also umgekehrt!" — Dieser Be¬ 
fehl ward sogleich ausgeführt. 
Die Sonne stieg immer höher und 
sandte ihre glühenden Strahlen auf 
die Barke herab und dem neugestem¬ 
pelten Neger wurde es unter dieser 
neuen Haut heiß. Er legte also die 
Kleider ab, so weit dies ging. 
Aber welcher Schrecken nun! Man 
sieht, der Mann der kurz vorher zum 
Neger geworden war, ist rückwärts ! 
weiß geblieben! In seiner Eile und 
Furcht hatte er sich nur Gesicht, Brust, 
Hände und Füße kalfatert,' den Rücken 
hatte er vergessen,' da er ihm nicht vor 
Augen war. 
„Das ist jetzt noch schlimmer", rief 
der Kapitän aus; „mit einer solchen 
Haut wird dich kein Land mehr auf¬ 
nehmen! . . . Sicher ist es erlaubt, 
weiß oder schwarz zu fein,' . . . aber 
beides zugleich, nein, das hat Gott noch 
nie zugegeben, seit die Welt steht."
	        
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