Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1914 (1914)

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12V« jähriges Gründungsjubiläum 
der Stadl Aameln. 
Eine der ältesten deutschen Städte 
ist Hameln an der Weser, früher Ha- 
meloa oder Hamelowe genannt. Ueber- 
haupt befinden sich im Weserlande die 
meisten der deutschen Städte, die ihren 
Ursprung bei mehr als tausend Jahre 
zurückführen können, das liegt schon 
daran, daß der Rhein als Eingangs- 
pnnkt der Römer und die Nebenflüsse 
als weitere Punkte der kulturellen 
Arbeit von diesen letzteren betrachtet 
wurden. Ebenso vollzog sich auch die 
Christianisierung. Der heilige Boni- 
fazius waltete ganz besonders in West¬ 
falen und im Weserlande und schuf 
hier die ersten Niederlassungen der 
Christen. St. Bonifazius soll auch der 
Gründer Hamelns um das Jahr 712 
gewesen sein. Hameln hat eine sehr 
wechselreiche Vergangenheit, schon in 
der Beziehung, daß es verschiedenen 
Herrschern gehört hat. Zuerst dem 
christlichen Stift zu Fulda, dann dem 
Bischof von Minden, später den Herzo¬ 
gen von Braunschweig. Im sieben¬ 
jährigen Kriege hatten es die Fran¬ 
zosen ein Jahr in den Händen, später 
die Hannoveraner, von 1803—1866 die 
Franzosen, dann die Preußen, dann 
wieder die Hannoveraner. Bei Grün¬ 
dung des Rheinbundes fiel Hameln 
an das Königreich Westfalen. 1840 
wurde es wieder hannoveranisch und 
endlich 1866 kam es unter preußische 
Herrscher. Hameln hat eine sehr leb¬ 
hafte, entwickelte Schiffahrt und dem¬ 
entsprechend ist die Industrie und der 
Handel stark tätig. Heute ist Hameln 
eine blühende Stadt von mehr als 
20.000 Einwohner und die viel besun¬ 
gene Weser über die eine 238 Meter 
lange Brücke zum jenseitigen Ufer 
führt, ist natürlich der Lebensnerv 
dieser, auch in ihren Häusern noch 
eigenartigen, altertümlichen Stadt. 
Bemerkenswert ist die Sage vom 
Rattenfänger von Hameln. Die Sage 
ist bekannt genug: Die Bürger der gu¬ 
ten Stadt Hameln an der Weser wur¬ 
den von Ratten und Mäusen auf das 
Entsetzlichste gequält, ja es wurde 
ihnen der Aufenthalt in den Häusern 
und der Stadt beinahe verleidet. Da 
traf ein hochwohlweiser Magistrat, um 
dem greulichen Unwesen zu steuern, 
ein Abkommen mit einem fahrenden 
Manne, einem Rattenfänger, der sich 
gegen eine gewisse Summe anheischig 
machte, die Stadt von der Plage zu be¬ 
freien. Der Fremde pfiff mit einer 
besonderen Pfeife das ganze Geschmeiß 
zusammen, schritt an der Spitze der 
tollen Schaar zur Weser, in deren Wel¬ 
len die Tiere sprangen und ertranken, 
und das soll um das Jahr 1284 im 
Juni gewesen sein. Der fahrende 
Mann war seiner Verpflichtung nach¬ 
gekommen, aber der Magistrat vergaß 
die Wahrheit des Wortes: „Jede Ar¬ 
beit ist ihres Lohnes wert" und ge¬ 
währte dem Wohltäter das ihm ver¬ 
sprochene Entgelt nicht. Da ergrimmte 
der Rattenfänger, der in großen Zau¬ 
berkünsten gar wohl bewandert war, 
und schwur der Stadt Rache. An einem 
Sonntag (angeblich am 26. Juni 1284) 
des Vormittags, da alle Erwachsenen 
dem Gottesdienste beiwohnten, durch¬ 
zog er wieder pfeifend die Straßen; 
aber ganz anders klang diese Melo¬ 
die, als jene, mit der er die Ratten 
und Mäuse gelockt. Aus allen Häu¬ 
sern strömten die Kinder herbei und 
folgten dem Fremden, der sie zur Stadt 
hinausführte, an einen Berg, in dem 
er mit ihnen verschwand. Nur zwei 
Kinder hatten sich verspätet, so daß sie 
nicht in dem nahen Koppenberg einge¬ 
schlossen werden konnten, zurückbleiben 
mußten und so gerettet wurden. Die 
Gründung der siebenbürgischen Sach¬ 
sen von Ungarn soll sogar auf diesen 
Kinderzug zurückzuführen sein, da an¬ 
geblich der Rattenfänger mit den Kin¬ 
dern dort wieder zum Vorschein ge¬ 
kommen ist. Im Laufe der Jahrhun-
	        
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