Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1913 (1913)

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das Chinesentum und den Konsuzianis- 
mus Anhänger werben zu wollen. Ein 
Volk, das keine guten Sitten hat, weiß na- 
türlich nach chinesischem Urteil auch nichts 
vom Familienleben. Kein Durchschnitts- 
chinese kann es begreifen, daß man den 
erwachsenen Söhnen und Töchtern in Eu- 
ropa so viel Freiheit läßt. Sie kommen, 
gehen, tun und lassen, was sie wollen, ge- 
rade wie die Tiere, während nach chinesi- 
schen Begriffen Gehorsam gegen die Eltern 
erste Pflicht der Kinder Zeit ihres Lebens 
ist. Was die Frauen angeht, so betrafen sich 
alle Europäer (so sagen die Chinesen) ge- 
radezu schamlos. Leute verschiedenen Ge- 
schlechts gehen in Europa zusammen aus 
die Straße, womöglich Arm in Arm: sie 
sprechen öffentlich miteinander, sie reichen 
einander Gegenstände, während kein Chi- 
nese einer fremden Frau etwas unmittel- 
bar überreichte er würde es auf einen Tisch 
oder sonst irgend wohin legen, von wo die 
Frau es nehmen müßte. Als letzten großen 
Vorwurf führen die Chinesen gegen die 
Europäer an, daß sie unstät sind: sie reisen 
von Ort zu Ort, ja selbst Frauen tun dies. 
Sie müssen überall Eisenbahnen bauen 
und schnelle und bequeme Verkehrsmittel 
herstellen — das zeugt von geradezu 
„krankhafter Unruhe" —. Alle Maschinen, 
die sie dazu herstellen, staunen die Chine- 
sen ftwar als außerordentlich merkwürdig 
an, aber für ihre technische Vollendung 
haben sie keinen Sinn. Maschinen machen 
auf sie keinen anderen Eindruck, als die 
gewaltige Körperkrast des Elefanten. 
Heiteres. 
Heimgezahlt. 
In einem Hotel kneipten einige Her- 
ren und einer verfiel auf einen, nach fei- 
ner Ansicht großartigen Witz. Er legte für 
seine Zeche ein Zweimarkstück auf die 
Kante des Tisches und erhitzte es, indem 
er brennende Streichhölzer darunter hielt. 
Der hinzukommende Kellner nimmt ah- 
nuugslos das Geldstück hinweg, läßt es 
jedoch mit einem Aufschrei zu Boden fallen. 
Schweigend entfernt sich der Kellner. Nach 
längerer Zeit geht der Schwarzbefrackte 
mehrmals an dem Tische, wo er sich die 
Finger verbrannte, vorbei und bedient 
auch ganz ruhig die Herren. Plötzlich fährt 
der Herr, der den Kellner angeführt hatte, 
empor, greift in die Tasche und holt ein 
ordentliches Stück Eis hervor. Das Ge- 
lächter steigerte sich, als die Durchfeuch- 
tung der Hofe sichtbar wurde. „Was ist 
das?" schreit der „Gekühlte", „wer hat sich 
denn das erlaubt?" — „Ich", sagte der 
Kellner, „ich habe mir gestattet, Ihr Por- 
temonnaie zu kühlen, damit ich mir nicht 
wieder die Finger an Ihrem Gelde zu ver- 
brennen brauche." Dieses Mal hatte er 
die Lacher auf seiner Seite. 
Beim Vater. 
Ein junger Mann, der eine zanksüchtige 
Frau geheiratet hatte, wurde von dersel- 
ben so gereizt, daß er sie schlug. Die Frau 
eilte zu ihrem Vater, bei dem sie sich bit- 
ter über ihren Mann beklagte. Der Herr 
Papa jedoch, sein Töchterlein wohl ken- 
nend, verabreichte ihr eine zweite Tracht 
und sagte: „So, nun kehre zu Deinem 
Manne zurück und sage ihm, daß ich ihn 
gebührend bestraft habe. Er hat es ge¬ 
wagt, meine Tochter zu schlagen, dafür 
schlug ich seine Frau." 
Aus der Schule. 
Ein Breslauer Gymnasialprofessor 
schilderte seinen Schülern die in früheren 
Zeiten bestehende Unsicherheit der Land- 
straßen mit den Worten: „Man konnte 
nicht von Breslau nach Schweidnitz reisen, 
ohne mehrere Male überfallen und totge- 
schlagen zu werden." 
„Warum lachen Sie?" fragte der Pro- 
feffor L. der Gelehrtenschule des Johan- 
neums in Hamburg einst (1835) einen sei- 
ner Schüler, und auf die Antwort „Nicht 
über Sie, Herr Doktor!" meinte er: „So? 
Na und was wäre denn sonst hier Lächer- 
liches?" 
Zum Verzweifeln. 
Herr X., ein sehr verwöhnter Raucher, 
fuhr im Eisenbahnwagen mit einem ge- 
mütlichen Sachsen zusammen, der eine ab- 
scheuliche Zigarre rauchte. Da alle Winke 
mit dem Zaunpfahl nichts nutzten und 
der Geruch unerträglich wurde, beschloß 
Herr 36. ein schon oft erprobtes Mittel an- 
zuwenden, Er erhob sich mit einem Höf- 
lichen: „Sie erlauben wohl, daß ich das 
Fenster öffne", wobei er die Hand des 
Rauchers so zu streifen wußte, daß diesem 
die Zigarre entfiel. Herr £. hatte das 
Pech, darauf zu treten und sagte bestürzt: 
„O bitte tausendmal um Entschuldigung. 
Darf ich Ihnen von den meinen anbieten? 
Sie find nicht ganz schlecht." — „Wenn Sie 
erlauben", sagte der Herr sehr freundlich, 
„ich bin so frei" und der dargereichten Zi- 
garrentasche drei Stück entnehmend unö 
dieselben einsteckend, fügte er hinzu: „Das 
is eine feine Sorte, die rauch ich aufn 
Sonntag!" Sprachs und zündete sich wie- 
der eine von seinen Stikadores an.
	        
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