Volltext: Österreichischer Volkskalender 1948 (1948)

4 österr. Volkskalender 
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Alles das denkt der Pfarrer, nachdem er die heilige Wandlung beendet hat 
und mit dem Sanctissimum in erhobener Monstranz unter der wuchtigen Ehr 
furcht des „Tantum ergo" den Sohn Go> s >elber segnen läßt. » 
Nochmals zieht Meister Johannes alle Jtegifter. Die Orgel dröhnt und singt 
und brandet zum feierlichen Auszug. Langsam, verlassen die Gläubigen unter 
dem brausenden Lobpreis der Töne das Kirchlein. Pfingstglanz im Auge, 
Gnade im Herzen. Bald träumt nur noch ein letztes süßes Weihrauchwölklein 
am stummen Altar Der Pfarrer der schreitet froh und dankbar hinüber zum 
Pfarrhos. Die Pfingstsonne wirst lustige goldene Ringe durch das grüne Laub 
auf den Weg. Schnuppernd hält er die Nase hoch, denn aus der Pfarrküche 
dringt köstlich und labend der wohlverdiente hochfestliche Kaffee. 
Im Sommer 1907 weilte König Edward VII. von England zum Besuch 
Kaiser Franz Josefs in Ischl. Während der König, so wie er es von seinen 
früheren Besuchen her gewohnt war, im Hotel „Elisabeth" abstieg, mußte ein 
Teil seines Gefolges im Hotel Bauer untergebracht werden. 
Am Abend nach der Ankunft der englischen Gäste kamen aus dem Park des 
Hotels Bauer zwei elegant gekleidete Herren des königlichen Gefolges, die 
offenbar die Absicht hatten, noch ein wenig auszugehen. Als sie beim Gasthaus 
„Zur Stadt Salzburg" vorbei kamen, hörten sie aus der Gaststube frohe Zither- 
und Gitarrenklänge. Sie hörten der ungewohnten Musik eine Weile von drau 
ßen zu, dann traten sie ein und nahmen an einem leerstehenden Tische Platz. 
Die beiden Musiker spielten unbeirrt weiter, der Wastl die Zither, der Seppl 
die Gitarre. Da trat plötzlich einer der fremden Herren an den Musikantentisch, 
lpgte eine blanke Zehnkronenbanknote hin und sagte: „Bitte, spuilen Sie doch 
einmal „6ock save the King“, die englische Hymne!" 
Weder der Wastl noch der Seppl hatte eine blasse Ahnung von der eng 
lischen Hymne. Beide sahen sich zunächst fragend an, hierauf warfen sie einen 
sehnsüchtigen Blick auf die Banknote, dann leuchteten plötzlich Seppls Augen 
auf. Er gab dem Wastl einen Deuter, flüsterte ihm etwas zu, und dann legten 
sie beide mit frischem Mut los und sangen dazu aus voller Kehle: „Almen 
rausch, Almenrausch, bist a schön's Blüamerl!" Dann folgte die zweite StrophS: 
„Edelweiß, Edelweiß, blüahst so schön weiß!" Als sie geendet hatten, klatschten 
die beiden Engländer Beifall, und der eine von ihnen meinte: „Das sein very 
beautiful Musik, aber das sein nicht .Ood save the King'l" 
Da richtete sich der Seppl in seiner ganzen Länge auf, verbeugte sich ehr 
furchtsvoll vor den beiden Herren und sagte mit dem ernstesten Gesicht: „Halten 
zu Gnaden, gnädiger Herr, aber bei uns wird die englische Hymne immer so 
gespielt und gesungen!" Sprach'^ — und strich mit einer bedächtigen Hand- 
beweauna die Banknote ein. _ 
ö M Dr. Hans Simkowsky
	        
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