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„Ja!" sagt der heilige Petrus, „Leni, bei uns
heroben, da kannst es grad haben wie du willst —
geh nur grad einmal weiter einer!"
Anfänglich ist die Leni natürlich arg verschüch
tert und die Augen tun ihr fast' weh vor lauter
Licht und Glanz. Und gar nicht recht auftreten
traut sie sich im himmlischen Revier; aber da
kommt schon der Erzengel Michael daher und er
klärt ihr alles und legt es ihr schön auseinander.
„Sieh", sagt er, „da drenten is das Sommer
abteil, da herüben haben wir unser Frühjahrsgar-
terl und dort, wo die Kinder so lachen, da is das
Winterkammerl I"
Hellauf lacht die Leni und rennt gleich in das
Sommerabteil. O du liebe Zeit! Da hat sie es gut
getroffen! Eben sind die Engel beim besten Ernten.
Flugs fällt da von der Leni die ganze Verlegen
heit ab; denn die Handgriff' dieser Arbeit sind ihr
nicht fremd. Grad eine Freud' ist es! Die Halme,
diese Körndel. Trümmer — und schön wie eitel
Gold! Und alles schlaunt so wunderbar schnell und
die Engerl singen dazu wie die leibhaftigen Ler
chen.
Kein Wunder, daß ihr sakrisch heiß wird. Da
macht sie sich gleich ins Herbstkammerl hinüber
zum Abkühlen. O jögerl, wie schön da die Sonne
herbrennt, ganz rot und gar nit heiß, grad recht
halt, wie im Herbst. Und lauter alte Leuteln sitzen
da herum, so müde, brave Leuteln . . .
Auf einmal ist sie dann im Frühjahrsgarten.
Himmelsschlüssel leuchten, Gänseblümchen, Antlaß-
rosen, soviel Blumen. Und eine Luft weht da, ker
nig wie ein Jakobiapfel. Erst die Vögel alle, die
Schwalben, die Finken, die Nachtigallen . . . Ganz
leicht wird ihr und dahinschweben tut sie, wie eine
Schneeflocke im sonnigen Winter.
Mittendrein huscht ihr ein Engel entgegen, hält
vor ihr und wispert: „Bist es — oder bist es nit?"
Die Leni besinnt sich eine Weile. „Ich bin die
Leni!"
„Und ich die Ev! Leni, kennst du mich nimmer?"
Himmeldreitausendstern, die Ev! Gleich geht das
Erzählen an, von der Schul' da unten, vom Dorf,
von der Einöd und allerhand halt.
Auf einmal gibt es der Leni einen Riß; weil sie
nämlich an den Marti hat denken müssen.
„Du Ev", sagt sie. „wo ist denn nachher da die
Himmelmutter?"
Die Ev nimmt sie bei der Hand und eine Weile
fliegen sie dahin. „So . . ." tuschelt die Ev leis.
„Dort!"
Zwei riesige silberne Wolken schweben am Ein
gang. Der Stern von Bethlehem brennt heilig
dahinter.
Sinnend sitzt die Himmelmutter auf ihrem
Thron.
Sie lächelt fein, wie sie die Leni sieht.
„Kind, komm!"
Durch und durch geht der Leni diese Stimme;
so mütterlich, so voll der Gütö ist ihr Klang.
„Du bist vom Land", spricht die Himmelmutter,
„von der Einöd gar, o, dort sind gute Menschen;
dort gibt es noch Feldkreuze und Kapellen, dort
fangen sie den Tag noch mit dem Herrn an, dort
haben die Menschen noch ein Herz im Leib und
Hirten gibt es dort wohl auch?" Innig lächelt die
Gottesmutter und denkt dabei froh an die Hirten
von Bethlehem.
„Ja, das alles gibt es bei uns!" lispelt die Hem
und erzählt alles, alles, auch vom Marti, der allein
da unten jetzt hausen muh.
„Leni", sagt die Himmelmutter, „auf der Erde
ist es immer ein schweres Sein. Jedes, das auf die
Erde kommt, trägt sein Ringlein ums Herz. Von
der Schlange und vom Fluch kommt dies noch her.
Rur wenige sind da unten, Kind, die dieses Ring
lein ums Herz nicht haben; die allein sind dort
unten in der Mühsal schon glücklich und werfen
keinen Schatten und wenn sie reden, klingt es wie
ein Glöcklein . . ."
Da fühlt die Leni, wie ihr ganz leicht wird, so
leicht, und da weiß sie, daß das schwere Ringlein,
das ihr Herz in Fesseln schlug, längst gesprungen
sei, und vor Freud' muß sie das Singen und Ju
bilieren anfangen, wie ein rechter Engel.
„Komm...!" sagt die Himmelmutter und schwebt
ihr voraus.
Die Leni zittert vor Glück. Was mag nun
kommen?
Auf einmal ist die himmlische Frau verschwun
den.
Ein Schweben und Schwingen vernimmt sie.
Himmel, wer kommt denn dort daher?
„Muatter!" jubelt die Leni.
„Leni, weilst nur grad da bist!" sagt die Ein
öderin sanft und drückt die Tochter an sich. „Ich
hab' dich ja g'holt, Leni, hast mich denn nit gesehn
in der Sterbestund' . . ."
„Freilich hab' i di g'sehn, Muatter, o Muatter!"
*
Unterdessen nehmen auch auf der Erde die Dinge
ihren Fortgang: denn kein Rädlein auf der wei
ten Welt hebt sich still.
„So — und jetzt wär' ich wieder da", sagt der
Wastl zur Ziegelleitnerin, „hast nachher den Dieb
schon ausfindig gemacht?" fragt er und lacht da
bei so hinterhältig. Die Bäuerin schüttelt den
Kopf.
„Schön, dann müssen wir was anders probie
ren, aber eine Maß Bier brauch' ich, daß ich meine
fünf Sinn' beieinander hab'!"
„Gleich Wastl, gell Wastl!"
„Du mußt dich also vor dem Dieb unsichtbar
machen."
„Was muß ich mich machen?"
„Unsichtbar!!"
„Wia meinst jetzt dös?"
„Schau her, was auf dem Zettel da steht, dös
lest dreimal laut, nachher bist unsichtbar, koa Mensch
siagt di nimmer, aber du siagst alles!"
Die Bäuerin liest den Zettel.