Volltext: Österreichischer Volkskalender 1936 (1936)

Wie ein Schlag trifft es den Marti. „So, afo 
is's!" schnauft er weh und kann es nicht glauben. 
Der alte, gute Grienervater geht und läßt ihn 
allein. 
Jetzt erst kommt es dem Martl ganz in den 
Sinn, wie weit es ist und der Schmerz packt ihn, 
daß es ihn schüttelt und stößt. „Leni", stammelt er, 
„da sehn wir uns wieder . . . Leni, gell du hörst 
mi schon, i bin's, der Marti . . ." Die Tränen flie 
ßen ihm heiß aus den Augen, die starr auf den 
Hügel gerichtet sind. „Und koa Wörter! kannst 
mehr sagen, ganz alloa hast mi lassen . . ." 
Spät, als es schon dunkelt, schwankt er vom 
Friedhof heraus, sein Gesicht ist blaß und sein Herz 
so schwer. 
Aber da wartet ein anderer, einer, der alt und 
gütig ist. „Grienervater", sagt der Martl heiser, 
„du bist noch da?" 
„Sixt", sagt der Alte, „schau einmal da hinauf 
zum Himmel, schau die vielen, vielen Stern' an, 
so unzählig viel Sterndel an einem einzigen Him 
mel, sixt, da kriegt man erst einen Begriff, wie 
schön die ander' Welt sein muß und jeden Tag 
zeigt s' uns der Herrgott oba, dö Sterndl . . . 
* 
Die Ehehalten auf dem Ziegelleitnerhof gehen 
zur Mittagsuppen; wie sie Platz nehmen, da gehen 
sie erst den Martl irr. Ja, wo ist denn nachher der 
Martl? 
„Der Marti ist krank!" sagt die Mitterdirn und 
nimmt einen Löffel Suppe aus dem großen 
Weidling. 
„Was, krank is er?" fragt die Bäuerin ärgerlich, 
„was fehlt ihm denn nachher?" 
„Soviel Wehdam (Schmerzen) hat er am Kreuz, 
soviel schon." 
„Was sagst? — Wehling am Kreuz; am Kreuz 
sagst, ha?" 
„Ja, g'sagt hat er's, am Kreuz hinauf nacher- 
anand, hat er g'sagt, soviel Wehdam . . ." 
„Sosoo..." 
Die Ziegelleitnerin läßt sich nicht das Geringste 
derscheinen. Der Geizkragen funkert schon wieder 
aus ihren Augen. „Also der Martl is's", denkt sie, 
„der wo die Eier allemal verstohlens abhebt, also 
der Martl!" 
Nach der Mittagsuppen geht sie hinüber zu ihm. 
„Was ist nachher das für ein Brauch jetzt, daß 
ma' sich beim hellichten Tag ins Bett legt?" fragt 
sie gleich. 
„Wann i aber krank bin!" 
„Soo . . ." 
„Soviel Wehling hab' ich schon, Bäuerin, daß es 
aus der Weis' ist, am Kreuz sag' ich Enk, grad, als 
wann mich ebber richtig auffipläscht hätt' . . ." 
Für die Bäuerin ist es nun sicher, daß die Hiebe 
von jenem Janker auf den Martl hingefallen sind. 
„Uuuuh, Bäuerin, ich glaub' schier, es geht da 
hin!" 
Die Bäuerin wird mit eins ganz dasig. Wann 
es wirklich so käm'? Wenn er.die Schläge alle auf 
dem Buckel hat von dem Janker, dann ist es frei 
möglich; eine höllische Furcht springt sie an. Ganz 
mitleidig fragt sie ihn: „Was magst denn, Martl, 
ha?" 
„Mei', Durscht hab' ich soviel, uuh, der Weh 
dam!" 
„Muß ich dir halt was bringen . . ." 
„Hunger hast gar nit?" 
„Ein wengerl schon!" 
„Was magst denn nachher?" 
„Uuuuh! — Bäuerin, ich glaub' ein paar Eier 
täten mir paffen!" 
Sie geht. Diplomatisch muß es gehen, denkt sie. 
Und wenn er nur nicht stirbt, der Martl, der . . . 
„Jetzt, Martl, iß und trink, nachher muß ich noch 
ein ernstes Mörtel disputieren mit dir." 
„Wann nur der Wehdam aufhöret!" 
„Tu dich nur nit so stellen, ich weiß alles; alles 
sag' ich . . ." 
„So — dann brauchst mich ja nimmer fragen!" 
„Martl, ich hätt' mir's nit denkt von dir!" 
Giftig schaut sie darein. Die Eier! Die Eier! 
„Ja mein ..." 
„So sagst du?" 
„Hat ja aso kommen müssen." 
„So, dös muß nachher sein?" 
„Wann i s' halt so gern mögen hab'!" 
„Gern mögen hast as?" 
„Soviel gern schon, sag' ich Enk, uuuh, mein 
Wehling!" 
„Was nit gar und da braucht's sinst nichts als ..." 
„Deshalb bin ich ja vor ein paar Täg umi auf 
Lindling." 
„Himmelstern no amol, von was basierst denn 
du eigentlich daher . . . ?" 
„Bon der Leni selig, halt, ja von der Leni . . ." 
„Also nit von die Eier?" 
„Was Eier? Ja, dö Eier da sän schon gut, ich 
dank' dir halt recht schön, Bäuerin!" 
„Und von dö andern woaßt nix?" 
„Na, da woaß i nix!" 
„Und dei' Krankheit?" 
„Mei', Bäuerin, von Lindling herüber — — 
den Zug hab' ich versäumt, bin zurückgeloffen, mit 
ten in der Nacht, g'loffen und wie? G'schwitzt hab' 
ich, daß ich tropfert naß war . . . is's da ein Wun 
der, Bäuerin . . . wann es mich packt. Is ja eh 
schon gleich . . ." 
Und da erzählt er ihr alles, von der Leni, wie 
es hergegangen ist und wie sie gestorben ist, grad 
wohl tut es ihm, das Erzählen, und während der 
Bäuerin die Zähren aus den Augen laufen, 
schleicht sie still hinaus. 
* 
Die Seele der Leni aber ist geradewegs in den 
Himmel geflogen. War auch kein Sünder! daran, 
kein kleinwinziges Fleckerl. Da ist es freilich ein 
schönes Wallfahren in die andere Welt! 
Wie sie herunten von der Erde fort ist, war es 
hellichter Sommer und wie sie oben durchs große 
Tor kam, ist es da nit schon Herbst?
	        
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