Volltext: Österreichischer Volkskalender 1936 (1936)

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jeder verstanden. Hernach ist sie wieder heim 
gekommen . . . 
Hellicht brennt der Tag draußen und der Wei 
zen steht braun im Acker; heißen Atem hat der 
Wind und kein einzig Wölklein fährt am Him 
mel dahin. 
Die Sensen singen schon. 
In ihrer Kammer liegt ruhig und matt die Leni. 
Der Apfelbaum steht vor dem Fenster wie ein 
Wächter. Die Medizinflaschen funkeln in der Sonne. 
Der Einöder, Knecht und Dirn sind draußen auf 
dem Acker; nur der Toni spielt mit seinen hölzer 
nen Rössern neben ihrem Bett. Ein Schimmel ist 
es und ein Fuchs ist es. „Hüh!" und „Hott!" 
schreit er, schnalzt und rutscht den Gäulen auf dem 
Boden nach. „Höh, wüsta", lamentiert er, „hörst 
nit!"; grad wie ein echter. 
„Weißt, Leni", sagt er und tritt zu ihr ans 
Bett, „der Handgaul, der Schimmel, ist ein Druck, 
gar nit parieren will er . . ." 
Die Kranke zuckt mit den Wimpern und lächelt. 
Wenn sie sich rührt, spürt sie, wie das Blut in ihr 
braust. Sie schließt die Augen. Da kommt das 
heiße Rinnen und Sausen wieder klopfend ans 
Herz und der Schmerz reißt sie im Rücken, daß 
sie sich mit aller Kraft aufbäumt und streckt und 
krümmt vor Rot und Angst. 
„Himmel, wenn ich stirb . . ." stammelt sie. 
„Toni!" 
„Leni?" 
„Wo warst denn, warum bleibst nit bei mir?" 
„Allweil war i bei dir, aber der Handgaul . . ." 
Da sieht der Bub, wie sie röchelt, wie ihre Hände 
auf der Decke fiebern. Er weiß nicht, wie es das 
gibt, aber er spürt etwas inwendig, etwas Tiefes, 
etwas Schauriges, ja etwas ganz Unausdenkbares, 
das es dennoch gibt und von dem er nie gewußt. 
/„Leni!" flüstert er und streichelt über das Bett, 
über ihre Hände und schmiegt sich an sie. 
Ganz ruhig liegt sie da. Ihre Wangen sind rot 
und ihr Gesicht ist schön wie nie zuvor. Plötzlich 
überläuft sie ein Zittern und erregt wispert sie: 
„Toni ... um fünf Uhr kommen sie . . . um fünf 
Uhr . . . beim hellichten Tag . . ." 
„Wer kimmt?" 
„Die Totenmänner ... Ich seh' sie . . . dort 
beim Fenster, dort stehn sie . . . um fünf Uhr, 
o mein . . ." 
Der Bub schaut zum Fenster; er sieht nichts. Die 
helle Sonne lacht herein und malt das Fensterkreuz 
schwarz auf den Boden. 
Die Kranke bewegt die Lippen; aber kein Laut 
kommt heraus. 
„Marti", denkt sie, „mein Leben war dünn und 
sauer und jetzt graben sie mir ein Grab." — „Hei 
lige Maria, dort!" schreit sie wieder laut, „ein 
Lichte! haben sie auch dabei ... ein Lichtel, wie 
ein brennender Totenkopf . . ." 
Sie schließt die Augen. „Und neben der Mutter 
werden sie mich eingraben", sinniert sie weiter, 
„und Antlaßrosen werden sie . . ." Ganz still ist 
sie; ihr Atem geht laut, er rauscht, er strudelt. 
„Jetzt erdrückt es mich!" 
Ihre Augen werden weit und groß und der 
ganze Körper bebt. „O mein", schreit sie, „jetzt 
kommen sie . . . Marti! Jössas, die Mutter . . . 
ja Mutter . . .!" 
Die Uhr an der Wand tut, als wolle sie aus 
setzen, aber sie setzt nicht aus, rasselt und schlägt 
dann fünfmal. 
„Jetzt schlaft s'!" sagt der Bub leise, nimmt die 
hölzernen Rösser und stellt sie in die Ecke. Auf 
den Zehenspitzen schleicht er aus der Kammer. 
„Antlaßrosen . . .", das ist ihm noch im Sinn. Er 
schleicht in den Pflanzgarten; etliche stehen noch 
dort. Er nimmt sie mit, rennt dann an das Feld 
hinüber, reißt ein paar Kornblumen und Acker 
rosen heraus und läuft wieder zurück ins Haus. 
Die Blumen gefallen ihm; sie sind so schön rot 
und blau. „Hat die Leni eine Freud', da paß 
auf . . ." denkt er, geht leis ans Bett und legt die 
Blumen auf ihre Brust. Dabei streift er unver 
sehens an die Hand, die bleich auf der Decke ruht. 
Wie ein Blitz durchreißt es ihn. Schnell nimmt 
er diese gelbe, stille Hand da auf der Decke noch 
einmal, drückt sie, preßt sie. „Leni . . .!" schreit 
er, daß die Kammer hallt. Sie rührt sich nicht. Da 
rennt er davon. 
Immer noch, wie er schon draußen ist, spürt er 
diese Hand, diese kalte Hand. Nichts ist so kalt wie 
diese Hand, nichts in der weiten Welt, kein Schnee 
und kein Eis, nichts. 
Während er so dahin läuft über die Felder, über 
die Wiesen, da weiß er es: „Tot is s' — g'storben 
is P" und die Tränen fallen ihm aus den Augen, 
fallen, wie in ein dunkles Tor, in das er geblickt. 
Er findet den Vater nicht, er läuft, läuft ins Tal 
hinunter: über die Wurzeln der Föhren, weint, 
fällt und schreit: ,,D' Leni is g'storb'n!" 
Auf Händen und Füßen zittert er, da sieht er 
die Kapelle und rennt auf sie zu. 
Er nimmt das Eisenstück in die eine Hand und 
den Strick, an dem die Pflugschar hängt, hält er 
mit der anderen und nun schlägt er darauf los wie 
ein Wilder. Er denkt nichts als: „Die Leni! Die 
Leni!" und schlägt und schlägt, daß es dröhnt, daß 
die Pflugschar laut hinausweint ins Tal, und 
schlägt vor Angst, es könnte ihn niemand hören. 
„Ich hör' läuten . . .!" sagt der Bauer vom 
nächsten Gehöft. „Lus!" fährt in einem anderen 
die Bäuerin auf, „klinselt es nit von der Kapelle 
herüber?" 
Und da kommen sie, die Einschichtigen, die ein 
sam mit dem Acker ringen und ihre Sorgen nieder 
mähen wie das tauige Gras und ihr Brot anbauen 
zwischen Eulenschrei und Hahnenruf, da kommen 
sie und je näher sie kommen, desto schauriger und 
schwerer wird das Dröhnen, daß ihnen das Herz 
wild schlegelt in der Brust. 
Da finden sie das Kind, ,,d' Leni is g'storb'n!" 
schreit es. Dem Einöder, der auch mitgekommen 
war, drückt es die Farbe aus dem Gesicht, wie an 
geschossen fährt er auf, nimmt den Buben und 
schnauft hastig heimzu. *
	        
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