Volltext: Österreichischer Volkskalender 1936 (1936)

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O* TRIPOLI 
HAIFA 
ÖL STRÖMT DURCH DIE WÜSTE 
Trotz zunehmender Elektrifizierung der ganzen 
Welt ist Erdöl heute mehr denn je ein unersetzlicher 
Faktor der Weltwirtschaft, denn seine Produkte, vom 
leichtflüssigen, flüchtigen Benzin bis zum Asphalt 
und zum Paraffin, sind die unerläßlichen Helfer beim 
Verkehr, in so vielen Industrien und Gewerben, beim 
Straßenbau und im menschlichen Haushalt. Besonders 
die Schiffahrt verwendet Erdöl, Rohöl in immer stei 
gendem Maße als Treibstoff, sei es, daß man die 
Dampfkessel mit Öl heizt, sei es, daß die Dampf 
maschine überhaupt vom Dieselmotor verdrängt wor 
den ist. Was für den Frieden gilt, das gilt in noch 
höherem Maße für den Krieg, die Motorisierung der 
Armeen zu Lande und in der Luft macht Benzin und 
Petroleum zum unersetzlichen Kriegsbedarf und die 
Kriegsschiffe sind heute fast durchwegs auf Öl 
feuerung, bezw. Dieselbetrieb eingerichtet. Diese Um 
stände lassen es erklärlich erscheinen, daß man um 
die Fundstellen des Petroleums Kriege führt und 
„wilde“ Völker ausrottet, wenn es der weiße „Her 
renmensch“ für nötig findet. Im Weltkrieg mag unter 
allen Kriegsschauplätzen die „Irakfront“ und ihre 
Kämpfe vielen am unverständlichsten vorgekommen 
sein — England aber wußte, worum es kämpfte — 
um die reichen Ölquellen dieser Gegend, 
und heute hat Großbritannien tatsächlich seinen vol 
len Einfluß auf die Ölfelder von Mossul, die ihm die 
Unabhängigkeit der Ölversorgung für die Mittelmeer 
flotte sichern. 
Wie die meisten Fundstellen, liegen auch die Öl 
quellen Mesopotamiens weit entfernt vom Verkehr. 
Man könnte nun wohl das öl mittels Eisenbahn oder 
Kraftwagen ans Meer befördern, aber die Engländer 
wählten ein anderes Verfahren und so ist vom Öl 
quellengebiet von Kirkuk bis zum englischen Mittel 
meerhafen und Flottenstützpunkt Haifa eine 1100 
Kilometer lange Rohrleitung durch die 
Wüste entstanden. Eine zweite Leitung geht durch 
französisches Gebiet. Darum geht der ersterwähnte 
Rohrstrang immer in sicherer Entfernung von der 
Grenze des englischen Gebietes. Pumpwerke beschleu 
nigen den Lauf des zähen Erdöls, so daß jetzt, wo 
beide Linien im Betriebe sind, stündlich etwa 230 
Tonnen öl zum Hafen von Haifa fließen, 5400 Ton 
nen in 24 Stunden, also eine Tagesleistung von fast 
550 Eisenbahnwaggons! Das läßt es begreiflich er 
scheinen, daß die gewaltige Rohrleitung sich in Kürze 
rentieren wird. Sie kommt ja doch wesentlich bil 
liger als eine Bahn mit dem gewaltigen Wagen- und 
Lokomotivpark, der für diese Strecke und Leistung 
erforderlich wäre; nicht zu vergessen, daß hier alles 
Umfüllen usw. wegfällt. 
Die Irak-Ölleitung ist nicht die erste ihrer 
Art, sowohl in Persien als auch schon lange vorher 
in Nordamerika hat sie Vorbilder; wohl aber ist sie 
die gewaltigste und leistungsfähigste von allen. Vor 
vierzig, fünfzig Jahren, da frachtete man das Petro 
leum in Eichenholzfässern über Land und Meer — 
heute fließt es in halbmeterweiten Röhren über Berg 
und Tal. Die Entwicklung der Beförderung allein 
zeigt, wie die Bedeutung des Erdöls gewachsen ist.
	        
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