Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1933 (1933)

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Da ich die Fleischrenken vom Boden 
aus nicht erreichen konnte — dazu war 
ich noch zu klein — schob ich stets meinen 
Bettstuhl unter die Stangen. Da konnte 
ich dann mit aller Gemächlichkeit säbeln 
und schmausen. Eines Morgens aber, iq 
weiß selbst nicht, wie es geschehen konnte, 
kippte der Stuhl um und ich fiel mitsamt 
einem Mordsrenken Fleisch in die daneben 
stehende offene Mehltruhe. 
Durch das Gepolter erschreckt oder neu 
gierig gemacht, lief alles, was im Hause 
Beine hatte, nach der Mehlkammer und 
weidete sich schadenfroh an der Besche 
rung. 
Mein Vater schickte die unnützen Gaffer 
alle in die Stube und hob mich aus der 
Truhe. 
Im Fortgehen hörte ich die Magd noch 
sagen: „Jetzt, drum hat er einen solchen 
Schädel gekriegt ln diesem Winter wie 
ein Rahmkater." 
Und der Knecht sprach zustimmend: 
„Ja, drum werden die Fleischbröckerl für 
uns alleweil kleiner." 
Ich weiß nicht mehr, wie ich in die 
Stube kam, aber das ist mir noch gut in 
Erinnerung, daß mein Vater sämtliche 
Fleischrenken auf ihre Beschaffenheit un 
tersuchte und dabei die Entdeckung machte, 
daß kaum einer dabei war, der nicht die 
verschmierten Schnittspuren von meinem 
Kreuzerschnitzer aufgewiesen hätte. 
Ich war nach jeder Richtung hin ent 
larvt — und nun begann mir auch das 
Gewissen zu schlagen, leider viel zu spät. 
Die Strafe folgte auf dem Fuße. 
Es war die fürchterlichste, die man für 
solch jugendliche Sünder damals im Wald 
dorf kannte, und nur in den schlimmsten 
Ausnahmsfällen anwendete, wo es galt, 
einen hartgesottenen Heimlichtuer von 
Grund aus und für ewige Zeiten zu be 
kehren. 
Diese Strafe war das Scheiterknien. 
Es wurde mir ein dreikantiges Holz 
scheit unter die Knie geschoben und ich 
mußte mich auf die eine spitze, schneidige 
Kante niederlassen. Dazu wurde mir der 
Rosenkranz gereicht, den ich zu beten hatte. 
Es geschah unter einem Strom von 
Reuetränen und unter einer Flut von 
zrrweichendem Schamgefühl, das noch 
durch die Anwesenheit der andern Dorf- 
buben erhöht wurde, die mich zur Schule 
abholten und schadenfrohe Zeugen meiner 
Pem waren. 
Rur mein Schwesterlein erbarmte sich 
meiner, indem sie mir Trost zusprach und 
den Rosenkranz mitbeten half. Der liebe 
Gott hat ihr die Guttat später reichlich 
gelohnt, indem er sie der Gnade des Or 
densberufes würdigte. 
Mir aber hat er einen heilsamen 
Schrecken vor allem Schwarzen, haupt 
sächlich dem Rauchfleisch, eingeflößt, so 
daß auch ich fortan die Pfade des Lichtes 
wandeln durfte. 
Auch der Knecht und die Magd wur 
den wieder zufriedener mit mir, indem 
sie sprachen: 
„Jetzt fällt sein Maser wieder zusam 
men wie eine Holzbirnkletze." 
„Und die Fleischbrocken auf Mittag 
sind wieder rechtschaffen wie vorher. Es 
steht halt nichts auf über das Scheiter 
knien." 
Die Fliegenplage 
Der Herzog Karl von Württemberg 
speiste einmal in einem württembergischen 
Städtchen zu Mittag. Er wurde bei dem 
Mahl stark von den Fliegen belästigt, die 
in ungeheurer Zahl in der Stube nmher- 
schw irrten. 
„In Kuckucks Namen", rief er endliä 
der Wirtin zu, als die Plage unerträglich 
wurde, „denkt Sie, daß es angenehm ist, 
in 'solcher Gesellschaft zu speisen? Ich sag' 
Ihr, deck' Sie den Fliegen besonders!" 
Die Wirtin knickste und entfernte sich. 
Schnell richtete sie auf einem Tischchen ein 
Gedeck her, dann trat sie vor den Herzog. 
Sie knickste wieder. „Gedeckt ist. Befehlen 
Euer Durchlaucht jetzt, daß sich die Fliegen 
setzen."
	        
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