Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1931 (1931)

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scheinung in meiner Kammer. Niemand im 
Hause hat außer mir etwas gehört von den 
drei Schlägen, aber mein Vater, der in diesen 
Dingen Bescheid weiß, sagt gleich: „Eher wie 
nicht bedeuten die drei starken Schlag', die du 
gehört hast, scharfe Schüsse. Und die Gestalt, 
die du gesehen hast, kann nur ein guter Be 
kannter von dir sein, der sich bei dir zum Ab 
schied von dieser Welt angemeldet hat. Wirst 
es schon sehen. . ." 
Und recht hat er gehabt, der Vater. 
Am andern Tag in der Früh kommt schon 
ein Schmalzweib von der Au herans und fragt, 
ob wir's schon wissen: „Den jungen Jagd 
aufseher, den Martl, haben heut Nacht in der 
Rachelhäng' hinten die Wilddieb erschossen. 
Drei Schuß hat er gekriegt. . ." 
Jetzt hab' ich's gewußt, was die drei Schläg' 
bedeutet haben — und bin gleich ausgereist 
in die Au hinein, daß ich meinen guten Martl 
noch einmal seh'. Gesehen hab' ich ihn nimmer, 
! aber beim Pfarrer hab ich gleich ein Amt und 
ein paar Messen aufschreiben lassen für seine 
arme Seel': „Ja", sagt der Pfarrer, „er hat 
mir in seinem letzten Stünderl eh noch einen 
Gruß aufgetragen für dich. Er muß dich 
recht görn gehabt haben, der arme Mensch. 
Aber jetzt wird er reicher sein, wie wir alle. 
Ich hab ihn noch gut vorbereiten können für 
die Ewigkeit — und ein kreuzbraves Bürscherl 
ist er eh gewesen, der gute Martl." 
Mir ist natürlich das Wasser ans den Augen 
geschossen, wie mir der Pfarrer den letzten 
Gruß von meinem liebsten Kameraden aus 
richtet, und so erzähl' ich ihm halt auch die 
Geschichte von der Erscheinung und den drei 
Krachern in meiner Kammer. Da sagt der 
hochwürdige Herr, der's als geistlich Studierter 
gewiß wissen muß: „Ja, mein Lieber, das ist 
niemand anderer gewesen wie die arme Seele 
des guten Martl, die sich von dir verabschieden 
wollte. Und mit dem Hinfallen der Gestalt 
in deiner Kammer bei den drei Schlägen 
wollte er dir andeuten, daß ihn drei Schüsse 
niedergestreckt haben. Der liebe Gott läßt 
solche Sachen zu, damit die Leute über dem 
Irdischen nicht auf das Ewige vergessen." 
Recht hat er, der Pfarrer. 
Ich will mich an sein Wort halten, denn im 
Himmel möcht' ich halt doch gern ewig beim 
Martl sein. Wir haben uns ja lieber gehabt 
wie leibliche Brüder. 
Zwei Schwestern 
Skizze von Oswald Strehlen 
Niemand hätte gedacht, daß die lachende 
Martha und die ernste Fini ein und dieselbe 
Mutter hatten. So grundverschieden ihre 
Charaktere waren, so ungleich waren ihre 
äußeren Erscheinungen. Die rotblonde Martha 
war nicht nur hübscher und temperament 
voller, sie hatte auch die Größe ihrer um zwei 
Jahre älteren Schwester bereits erreicht und 
stach die aschblonde Schwächliche überall aus, 
wohin sie kam. 
Martha, das Bnbenmädel, wiegte sich hoch 
oben im Birnbaum, wenn Fini ihre Schul 
aufgaben machte, und Martha streckte sich noch 
in den Federn, wenn Fini schon in der Kirche 
war, um vor Schulbeginn noch eine kurze 
Andacht zu verrichten. 
Kamen jedoch Gäste, so war es wieder 
Martha, die durch ihren hübschen Gesang, ihr 
hübsches Klavierspiel prunkte — um Fini 
kümmerte sich niemand. 
Nur wenn Vetter Hermann, de nnge 
Gymnasiast und seine beiden kleinen Schwestern 
die Feriemhindnrch mit seinen Eltern auf dem 
kleinen Gute weilte, bekam die ganze Sache 
ein wenig ein anderes Ansehen. Hermann 
saß mit der kleinen, schwachen Fini in der 
Laube und ließ sich von ihr examieren, denn er 
war ein ehrgeiziger Schüler und im Fleiß und 
in der Gewissenhaftigkeit hatten sich die Beiden 
schon vor zwei Jahren gefunden. Hakte er 
früher in seinen Freistunden gerne mit der 
lustigen Martha herumgetollt, so tat ihm, seit 
er ernster geworden, Finis Reife wohl. Und 
die Jüngere, stets Bevorzugte, ärgerte sich 
nun die ganzen Ferien hindurch, daß Hermann, 
der doch bis vor kurzem noch ein rechter Laus 
bub gewesen, nun ein solcher Drückeberger und 
Bücherwurm geworden war. Sie suchte nun, 
in der Freundschaft mit seinen Schwestern, 
ihn auf andere Art zu gewinnen, aber es ge 
lang ihr nicht recht.
	        
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