Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1931 (1931)

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„So. Da bin ich anderer Meinung! Über 
meinem Pulte im Büro hängt . . ." 
„Ich weiß, ich weiß, das hast du mir schon 
zehnmal erzählt: hängt ein Pappschild, darauf 
steht: Ehrlich währt am längsten!" 
„Stimmt! Und das ist mein Grundsatz und 
wenn ich während der Geschäftszeit auf der 
Straße stehe und dabei die Zeit verquatsche, 
so stehle ich und bin nicht ehrlich." 
„Na, was stiehlst du denn da, he?" 
„Die Zeit stehle ich, meinen Chef bestehle 
ich, denn die Zeit bekomme ich bezahlt." 
„Freilich, glänzend bezahlt! Als Kauf 
mannslehrling 20 Mark Taschengeld im Monat. 
Rechne dir das gefälligst in Minuten um, 
Wensch, da'kommt auf eine Arbeitsminnte 
noch nicht ein Viertel Pfennig. Hier, Schnee 
mann, da hast du einen Pfennig, den knallst 
du deinem Chef auf den Tisch und sprichst 
dazu: ,Jch will Sie nicht bestehlen, ich habe 
ans der Hasenstraße vier Minuten mit dem 
Paul Berg verquasselt und da gebe ich Ihnen 
einen ganzen Pfennig von meinem fürstlichen 
Gehalt zurück!"' — Und das lose Bürschlein 
fischte aus seiner Westentasche einen echten, 
deutschen Pfennig heraus und schob ihn dem 
Steffi in die Manteltasche. 
Der mußte nun doch lachen und sagte: 
„Bist ein putziges Huhn, Paul! Aber ändern 
wirst du mich nicht, ich habe mir nämlich etwas 
in den Kopf gesetzt, Junge." 
„Und das wäre?" 
„Ich will durch Fleiß und unbedingte Zu 
verlässigkeit ein ganz großer Kaufmann werden, 
weißt du, so'n ehrbarer Kaufmann, wie sie 
früher bei uns in Deutschland ausnahmslos 
waren und die Deutschland mit groß gemacht 
haben." 
„Fabelhafte Idee, Steffi! Biel Vergnügen 
dazu!" 
Und pfeifend rückte Paul Berg ab, aber 
Steffi lief ihm schnell nach und hielt ihm den 
vorhin im Spasse übermachten Pfennig hin: 
„Da, nimm' dein Geld wieder zurück, mein 
Chef wird darauf verzichten." 
„Dankend angenommen! Und nun sei kein 
Frosch, Steffi. Komm', ich begleite dich zur 
Post und will mit dir reden, etwas ganz, ganz 
Wichtiges." 
„Dann komme schon, Paul, aber schnell!" 
Und nun liefen sie selbander die Zeughaus 
straße entlang und Paul hub an: 
„Nun höre, was ich in dem Pakete habe: 
ein fesches Maskenkostüm! Gelt, da bist du 
platt?" 
Und Steffi war in der Tat platt und Paul 
fuhr prahlend fort. 
„Ja, ein fesches Pagenkosttim: Rosen 
kavalier." 
„Für dich selbst?" 
„Aber selbstredend. Für morgen Abend 
zum Maskenball im Stenographenverein. Du 
gehst doch auch mit, Steffi?" 
„Möchte gern, Paul, aber woher sollt ich 
das Geld nehmen, zu solch teurem Spaß?" i 
„Machs wie ich, borge dir Geld." 
„Ausgeschlossen, ich borge grundsätzlich 
nicht und für eine Maskerade schon gar nicht." 
„Sei kein solcher Philister! Gib' jetzt deine 
Depesche auf und dann gehen wir ins Masken 
verleihgeschäft. Mein Vetter Erwin, der den 
Milchladen hat, pumpt dir mit Kußhand 
30 Mark und da haft du sofort Geld." 
„Gib' die keine Mühe, Paul", sagte mit 
unerschütterlicher Ruhe Steffi, aber eine ganz, 
ganz kleine Bresche in den Festnngswällen 
seiner Grundsätze war doch geschlagen, da 
durch nämlich, daß überhaupt ein Weg ge 
zeigt worden war, wie man zu Geld und 
Kostüm kommen konnte. 
In der faschingsfrohen Stadt, in welcher 
Steffi aufgewachsen war, spielte in den 
Karnevalstagen der Fasching eine große Rolle 
und es gab wohl keinen jungen Menschen, in 
dem nicht der Wunsch lebte, einmal ein recht 
lusüges Faschingstreiben mitzumachen. Und 
so wird man verstehen, daß es etwas ver 
lockendes für den sonst so lebensfrohen Steffi 
hatte, morgen zum Maskenball mittun zu 
können, zumal alle seine Freunde und Be 
kannten dabei waren, um so mehr ist es zu 
verwundern, daß er trotzdem standhaft blieb 
und ablehnte und daran war der Portier Hase 
schuld, an den er denken mußte. 
„Sieh' mal, Paul, es gibt so arme Leute, 
die ihr Liebstes sterben lassen müssen, weil sie 
kein Geld haben, einen großen Professor 
kommen zu lassen und da sollte ich tollen und 
das Geld für Mummenschanz verprassen, wo 
andere solches Leid haben! Ausgeschlossen!" 
Aber der Verführer Paul, ein etwas 
leichtes Bürschlein, ließ nicht locker, er hatte 
noch einen anderen Köder, mit dem er den 
Freund fischen wollte. Und diesen Köder warf 
er jetzt aus, ganz gleichmütig und harmlos.
	        
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