Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1931 (1931)

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Farbe. Die Zweige waren dicht behängen 
mit Zuckerwerk und Lebkuchen. Alle Zweig 
enden wären miteinander durch silberne Ketten 
und Schnüre verbunden. Auch kleine farbige 
Kügelchen, goldene Nüsse, silberne Tannen 
zapfen, zierliche Körbchen und Fläschchen, rot 
wangige Äpfel und Birnen lugten zwischen 
dem Schnee hervor. Schwer wuchtete er 
ans den Zweigen. Und so viele Zuckersachen, 
die da hingen. Eine solche Menge hatte Rudolf 
während seines ganzen Lebens noch nicht ge 
sehen. Lange silberne Haare und Morgen 
stern hingen zwischen dem süßen Backwerk und 
leuchteten hell auf im Glanze der vielen, vielen 
Kerzchen. Und jedes hatte eine andere Farbe 
und alle zusammen strahlten wunderbar . . . 
Dem Rudolf wurde ganz heiß vor Freude, so 
etwas Schönes hatte er noch nie gesehen. 
Rings um den Baum aber hüpften viele 
Kinder in seinem Alter mit blonden und 
schwarzen Haaren und klatschten vor Freude 
in die Hände. Sie waren alle fast gleich ge 
kleidet und waren so lieb zu einander. Sie 
hatten sich vieles zu erzählen und zeigten ein 
ander, was ihnen das Christkind gebracht. 
Einem kleinen Knaben hatte es ein Schaukel 
pferd gebracht, das er sogleich probierte. Ein 
anderer spielte sich mit einem Würfelspiel. 
In einem Winkelchen hockten zwei Mädchen 
und zogen ihren Püppchen Festtagskleidchen 
an. Rudolf wußte nicht, wohin er zuerst 
schauen sollte. Da trat eine weißgekleidete 
Frau mit silbernen Haaren an ihn heran 
und . . . . — 
Der Träumer war erwacht. Eine eisig 
kalte Zugluft wehte dnrch's Zimmer. Der 
Wind pfiff und heulte vorm Fenster. Er hatte 
die Türe aufgerissen und von dem trüben 
Kellerfenster den Pappendeckel, der über ein 
Loch geklebt war, losgerissen. Große Eis 
schlossen fielen in die feuchte Stube. Dem 
Knaben wurde es unheimlich. Der Herd war 
eiskalt und die Mutter noch immer nicht da. 
Laut knarrte die Diele. Erschrocken lief er zum 
Vater, hinein, um bei ihm Schutz zu suchen. 
Doch mit einem Aufschrei blieb er stehen. 
Aus den roten Kissen des Bettes, beleuchtet 
von dem unsteten Flackern der ersterbenden 
Kerze starrte ihm ein wachsbleiches Antlitz 
entgegen. „Vater, stirb uns nicht", mit diesen 
Worten suchte er dessen Hand zu fassen. Aber 
erschrocken ließ er sie fallen, sie war eiskalt. 
Und keine Antwort. „Vater, ich bin es, der 
Rudolf, ich fürchte mich so." Seine Stimme 
verhallte im heulenden Wind. Der Vater 
rührte sich nicht. Ein ganz verzerrtes Antlitz, 
mit starren, weit aufgerissenen Augen, die 
tief in ihren Höhlen lagen, warf seinen Schatten 
an die Wand. Der Knabe hatte noch nie einen 
Toten gesehen, aber nun wußte er es. Hier 
blickte ihm ein Opfer des Todes entgegen. 
Nochmals ergriff er des Vaters Hand. 
Eiskalt lag sie in seiner lebenswarmen und 
war schwer . . . Plötzlich ein Sausen, eine 
Türe krachte zu, lautlos erlosch die Kerze. Der 
Schein einer Straßenlaterne leuchtete ins 
Zimmer herein, ließ die Züge des Toten noch 
bleicher erscheinen. Rudolf war es, als ob 
hinter dem Kopfe des Vaters ein Totenschädel 
auftauchte . . . — 
Ein Grausen erfaßte ihn, laut schrie er auf 
und eilte durch die Türe über die knarrende 
Kellerstiege hinaus ins Freie. Ein heulender 
Sturm fuhr durch die Straßen, trieb Schnee 
und Regen durcheinander, sauste um die Ecken, 
zerbrach klirrend Fensterscheiben und schonte 
nicht die Dächer. Frostig kalt war es und die 
Kälte drang dem Knaben durch den dünnen, 
fadenscheinigen Rock bis ans Herz. Er lief 
durch Schnee und Wind, um sich zu erwärmen. 
„Mutter! Mutter, wo bleibst du", weinte er 
ans und dicke Tränen rollten über seine Wangen. 
Doch nur noch lauter frohlockte der Sturm und 
trieb große Schneeflocken vor sich her. Bald 
war Rudolf ganz von Schnee bedeckt und 
seine Händchen fast erstarrt. Er war schon 
lange gelaufen und zum Umsinken müde. 
Sein Weinen wurde immer leiser, bis es ganz 
aufhörte. Bei einer halbverfallenen Scheune 
machte er Halt und verkroch sich. Müde lehnte 
er den Kopf an die morsche Holzwand und 
dachte daran, daß heute das Christkind kommt. 
Dann wieder sah ihn das bleiche Gesicht 
des Vaters an. Hierauf sah er wieder vor sich 
die lustige Kinderschar und den mächtigen 
Weihnachtsbaum. Und er träumte nun weiter 
den schönen Traum, den ihm der Sturm jäh 
zerftört hatte. Vom Himmel fielen aber immer 
noch weiße Flocken und hatten bald die kleine 
Gestalt bedeckt. Noch immer heulte und 
jauchzte der Sturm. Die blaßen Züge des 
Knaben aber waren verklärt, ein Lächeln 
spielte um den feinen Mund, er träumte seinen 
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Seine Seele flog aber empor, schwebte 
durch die Straßen der Stadt, flog vorbei an 
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