Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1928 (1928)

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gehen, als hätten er oder wir eine Straf' 
verdient. Weiß mi nix schuldig und di a net. 
Und ihn—? Ei, da mußt' i lachen! So einer 
wie der!" Und nach einer langen Pause kam 
es mit einem tiefen, schmerzlichen Seufzer: 
„Ja, wenn er noch bei uns da gstorben wär, 
daß wir ihm die letzte Lieb' und Treu' hätten 
antun können! Und daß wir doch sein. Grab 
da hätten —!" 
Jetzt riß es die Bäuerin aus ihrer 
Schweigsamkeit. „Ja wohl, sein Grab, wenn 
wir das hätten! Daß wir recht diel Blea- 
merln auf sein Grab legen könnten! Recht 
viel Bleamerln. Die hat er ja so viel gut 
leiden mögen." 
Der Bauer nickte. „Weiß 's eh. Die 
NagerlstöckH im Garten, die hat er oft lang 
angschaut zur Abendzeit und hat sich gfreut 
dran wie ein Weiberts —i hab' mir halt oft 
denkt: weil er so viel ein guts Gmüt hat! 
Und am Sonntag in d' Kirchen hat er ein 
Roserl oder zwei mitgnommen und ein 
Resedabüschl dazu und —!" es flog nun 
etwas Schalkhaftigkeit in die alte Bcannes 
stimme — „und das Büscherl hat er allemal 
redlich teilt. D' Reseda, die hat er 'm Herr 
gott g'ol fert beim großen Kreuz in der 
Kirchen, und d' Röserln, die hat er wem 
andern 'geben! Gelt, Muatter, weißt 's eh?" 
Die Frau nickte. „Freili. Und sie wär' 
uns a ganz recht gwesen, d' Mirzerl." Sie 
schwieg wieder. Aber der Mann siann das 
Ges> räch fort: „Freili. Gar viel mitkriegt 
hätt' s' ja net, d' Mirzerl, aber was zählt 's 
Geld, wo wir und der Bua so viel Freud' 
an ihr ghabt Hätten. Aber freili, was redt 
man jetzt, is ja alles umsunst und vorbei. 
Was der groß' Krieg dm ontragen hat, 
das schwemmt uns der best' Frieden nimmer 
her. Uns kann's gleich sein." 
Die Frau wandte das Haupt und sah 
ihn mit langem Blick an. „Uns —! Aber 
andere haben a wen dabei und wollen die 
Ihren wieder. Tobias, red'st net recht. Die 
spüren 's wie wir, wenn ihnen die Ihren 
davongehen." 
Des Mannes Kopf senkte sich. „Kann 
mir 's net denken, daß 's net mi am härtesten 
betrifft. Wenn s' so sechs oder sieben haben, 
's bleibt do wer zrück." 
„Freili." 
') Nelkenstöcke. 
Der Mann sann wieder. „Mei, aber 
grad, was davongeht, könnt' einem 's 
Liebste sein. Aber —", es schauerte den 
Mann während der Rede — „aber wenn 
so alle fünf oder sechs gingen? Schau du, 
Leni, wenn wir so viele ghabt hätten und 
hätten kein' einzigen mehr jetzt —?" 
Die Frau erwiderte nichts — der Blick 
hing starr an dem Hause, dem sie jetzt nahten. 
An einem der Fensterlein hing der Mond, 
daß es aussah, als erstrahlte drinnen ein 
Licht. Und es ging ihr durch den Sinn: 
„wenn jetzt so der Hansl da drinnen auf 
uns warten tät —I" Ein Herzschlag ging 
ihr durch den Leib, daß ihre Glieder erbebten; 
sie wäre wieder wie jung, fände ein Jauchzen 
wie dazumal — wenn das wahr wäre und 
ihr Bub säße da drinnen. 
Dann fiel die Trauer wieder schwarz auf 
ihre Seele. 
Der Mann holte den Schlüssel hervor 
und sverrte die Haustüre auf. Trat ein, 
ließ die Frau eintreten und legte den Sperr 
haken innen vor. Dann zündete er die 
Kerze an, die auf dem Flurkasten stand. In 
der Wohnstube setzte der Mann den Korb 
nieder, den er am Arm getragen, und die 
Frau legte ihr Bündel weg, in dem sie 
Zucker, Kaffee und Salz heimgeholt. Dann 
setzte sie sich müde auf die Bank hin. „Ich 
geh' nimmer in die Stadt", sagte sie ohne 
Ausdruck in der Stimme. 
Cr starrte sie an. „Wie meinst das?" 
„Was tun wir denn drin? Das bißl 
Sach' heimholen? Wir leben ohne das auch. 
I mag nimmer." 
„Wir müssen doch auch was hinein 
bringen —!" meinte er. 
„Müssen — ?, Redt ja keins an uns hin. 
Und wer braucht denn das Geld, das wir 
einnehmen?" 
Der Mann stand und dachte nach — er 
besann sich wohl ein wenig schwer. Dann. 
sagte er: „Ah geh, was tun wir denn mit 
der Sach'? Wir essen 's ja doch net auf, 
alles, wir zwei. Und sunst —", er sah um 
sich, die Stimme klang fast weinerlich, so 
bewegt. „Siehst, hab' mi einmal gar so 
gfreut um ein Cnkerl!" Mit hängenden 
Armen, gesenktem Kopfstand der Mann und 
aus seinen Augen fielen ein paar glitzernde 
Tropfen auf die Diele nieder. Aber dann 
fuhr er auf. „Na, Leni, verderben dürfen
	        
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