Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1928 (1928)

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Endlich hatte er den Faden und die 
Kette; das Weberschifflein der Erinnerung 
glitt hindurch — auch das Bild seines 
großen Leichtsinnes; seiner schwersten Sünde. 
Ach — er — der junge Brauner — der 
: Millionärssohn — von betrunkenen Kame 
raden begleitet: schwankte er nicht in den 
Fabrikhof? 
Er fand die Tür der Privatstiege nicht 
— und seine Zechgenossen fanden sie auch 
nicht. 
Ein Vorarbeiter — Talhofer — be 
merkte das Jnngherrlein, die glimmende 
Zigarre zwischen den Zähnen, inmitten von 
schulmeister den nixnutzigen Simmerl beim 
Ohr erwischt. 
Bräuners verwöhnter Knabendünkel 
schwoll Hochauf. Verletzte Eitelkeit! 
Alle besseren Gefühle schwanden. Nur 
maßloser Grimm, wilde Nachsucht tobten 
in seiner Seele. Zu lebensunerfahren und 
zu sehr verweichlicht, um anderer Wohl und 
Wehe mitzuempfinden, schrie er die Anklage 
in alle Welt hinaus. Der Vorarbeiter habe 
ihn im Zorn töten wollen. 
Das hatte er nicht bedacht, was folgen 
mußte. 
Die Gerichte nahmen seine Sache auf. 
Das katholische Vereinsheim in Traun, das von der Bevölkerung Trauns in aufopfernder 
Arbeit erbaut wurde. 
Hobelspänehaufen hingestreckt, fest einge 
schlafen. Der Vorarbeiter hatte ihn an der 
Schulter gefaßt — sanft nicht. — Möglich, 
daß Talhofer das Herrlein „Tagedieb" ge 
schimpft, oder „Saufbruder". — Möglich — 
heschwören könnt' es Bräuner nicht. 
Ein Wort gab das andere. Jungherrchen 
zog den Revolver. Talhofer entwand ihm 
die Waffe und sie entlud sich. Eine unbe 
deutende Streifwunde trug das Herrlein 
davon. 
Die Freunde, die neben ihm genächtigt 
hatten, stichelten: ob er sich's gefallen ließe? 
Nett hab's ausgesehen, wie wenn ein Dorf- 
Nicht er hatte die Angelegenheit vor Gericht 
gebracht. Nein —. Doch sie kam dahin. 
Und. . . Bräuner wiederholte seine 
Anklage. 
Der junge, flotte, fesche Bräuner konnte 
unmöglich eingestehen, konnte unmöglich 
alles zurücknehmen, womit er die Geschichte 
ausgeschmückt hatte; kurz und gut: womit 
er seit Wochen herumprahlte! 
Pfui, Bräuner! 
Nun stand er vor Gericht. Heulen hätt' 
er mögen, freilich. Tot hätt' er sein mögen 
und begraben im tiefsten Erdenschacht; un- 
geschehn hätt' er's machen mögen, wie wahn-
	        
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