Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1928 (1928)

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schichten zu erzählen weit und breit. Weil 
sich aber Räuber- und Geistergeschichten in 
der Mettennacht nicht recht schicken, so er 
zählte er (etwas „greußliches" mußten seine 
Geschichten imnrer an sich haben) von Dieb 
stählen und Einbrüchen, die in der heiligen 
Nacht schon oft geschehen seien, aber er kam 
nicht weit darin, denn als der Bauer be 
merkte, daß die Bänrin, die ja allein zu 
Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Josef 
Schwlnner. 
Hause bleiben mußte heute Nacht, Angst 
bekomme, gab er ein Zeichen, auf das sich 
alle um den Tisch knieten und die ersten drei 
Dekaden des freudenreichen Rosenkranzes 
beteten. Danach sang Wastl noch einige 
seiner Lieder und so wurde es Zeit, sich zum 
nächtigen Kirchgänge zu rüsten. Jedes ver 
sah sich mit den wärmsten Kleidern und bald 
waren alle im Feiertagsgewande in der 
Stube versammelt, bis auf das „Kuchel- 
mensch", die wie jedesmal an Feiertagen 
auch heute die längste Zeit zum Anziehen 
brauchte. Endlich hatte sie auch alle Maschen 
und Schleifen in Ordnung und nun setzte 
sich der Zug in Bewegung, geführt vom 
Brunbauer selber, der mit einer leuchtenden 
Laterne voranging. Finster war die Nacht, 
wie's der Geiger-Hans-Jakl berechnet hatte 
und kalter Wind blies den Wanderern ins 
Gesicht. Ohne Unfall durchschritten sie das 
Wäldchen und als sie von demselben 
niederstiegen, sahen sie von allen Seiten 
eine Menge Lichtlein flimmern, die sich 
alle der Kirche zu bewegten, wie das 
ihre, ein wundersamet Anblick! Und 
erst die Kirche selber! Ihren schönsten 
Schmuck hatte sie angelegt und so 
viele Lichter brannten, wie an sonst 
gar keinem Feste. Andächtig wohnten 
die Gläubigen dem heiligen Meßopfer 
bei, in welchem derselbe Gottessohn in 
der Wandlung zur Erde herniederstieg, 
der einst als kleines Kind in der Krippe 
gelegen; und wie die Krämer-Fanni, 
die erste Chorsängerin, mit ihrer zarten 
Stimme das „Stille Nacht", heilige 
Nacht" sang, da fühlten sich alle ver 
setzt in den Stall zu Bethlehem und 
beteten im Geiste das Jesuskind an. 
Nach der Kirche trafen bei der 
Abzweigung des „Kirchensteiges" von 
der Straße die Brunbauerleute zu 
sammen und setzten gemeinsam den 
Heimwea fort, aus welchem ihrer ein 
schönes Schauspiel harrte. Wie alljähr 
lich wurden nämlich beim „Schreiner 
in der Au" einige Raketen losgelassen 
zur Bewunderung und zum Schauspiel 
der von der Mette Heimkehrenden. 
Diese Raketen waren die Ursache, 
daß die Prophezeiung des Ochsen 
knechtes an dem „Dienstbuben" in 
Erfüllung ging, denn der sah immer in 
die Höhe nach den Raketen und so stolperte 
er auch bald, er fiel und die Mette war „ver 
schüttet". Traurig, aber durch den Ge 
danken an die Mettenwurst gestärkt, folgte 
der Bub', nachdem er sich schnell erhoben, 
den übrigen. 
Zu Hause waren zwei Personen ge 
blieben, es zu hüten, die Bäuerin, weil sie 
die Mettenwürste kochen mußte, und der 
Wastl, „damit ein Mannsbild im Haus sei". 
Wie die Mettengänger fort waren, wurde
	        
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