Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1924 (1924)

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kender Kabyle, verneigte sich tief vor dem 
Gouverneur und erwartete dessen Anrede. 
„Was ist euer Begehr?" fragte dieser 
kurz. 
„Abd-el-Kader bittet um Frieden und 
wünscht freien Abzug der Stämme mit all 
ihrem Eigentum", antwortete der Sprecher, 
finstere Blicke auf den General werfend. 
Bugeaud schüttelte abwehrend den Kopf. 
„Ihr wünscht mehr, als ich gewähren 
kann", sagte er dann klar und bestimmt. 
„Der Kampf ist zu euren Ungunsten ent 
schieden und ich verlange, daß Abd-el-Kader 
und zehn eurer vornehmsten Männer mich 
als Gefangene nach Algier begleiten. Die 
anderen haben freien Abzug, lassen aber 
ihr Eigentum zurück. 
„Abd-el-Kader und unsere Edlen können 
niemals die Sklaven der Franken werden!"• 
antwortete der Mohammedaner. 
„Das sollen sie auch nicht! — Sie 
werden mich als Geiseln begleiten und unter 
meinem Schutze stehen. Die Regierung 
meines Landes wird später bestimmen, was 
mit ihnen geschehen soll." 
„Und wenn wir uns weigern?" 
„Dann wird keiner von euch die Heimat 
wiedersehen! Ihr werdet sterben hier in 
diesem Tale!" 
„Dann stirb du selbst, Giaur!" zischte 
der Parlamentär, blitzschnell einen Jata- 
gan unter seinem Burnus hervorreißend 
und auf den Marschall eindringend. 
Ein allgemeiner Angstschrei des Ent 
setzens erscholl, denn der hinterlistige An 
griff erfolgte so plötzlich und unerwartet, 
daß keiner der Umstehenden darauf vor 
bereitet war. — Da ereignete sich twas 
Unerwartetes. 
Durch die Reihen der Offiziere, die den 
Marschall in' einem Halbkreis umgaben, 
stürzte sich mit Riesenkraft ein bärtiger Ser 
geant, warf mit einem Faustschlage den 
fanatischen Mohammedaner zurück und fing 
gleich darauf den Stich mit dem Jatagan, 
der dem General gegolten, mit seiner breiten 
Brust auf, direkt vor dem Bedrohten zu 
sammenstürzend. 
Die nächste Szene war ein wirres Durch 
einander von Säbelhieben und Kolben 
schlägen, die auf die Gestalten der ver 
räterischen Parlamentäre niedersausten. — 
Die Signalhörner der Franzosen gellten 
zum Sturmangriff, und nach Verlauf einer 
halben Stunde war der Kampf entschieden. 
Abd-el-Kader war geflohen, der größte 
Teil der aufrührerischen Kabylen vernichtet 
und ihr Eigentum in den Händen der Sieger. 
Die Entscheidungsschlacht am Jsly, welche 
die Herrschaft Frankreichs in Algerien für 
immer befestigte, war beendet. 
Im Zelte Bugeauds lag der helden 
mütige Sergeant auf weichen Decken. Der 
Arzt hatte ihn soeben untersucht und ver 
bunden und dem General die Versicherung 
gegeben, daß der Mann genesen werde. 
Bugeaud beugte sich über den Ser 
geanten, der zur Besinnung zurückgekehrt, 
und legte mit väterlichem Wohlwollen die 
Hand auf die heiße Stirn des Mannes. 
„Du wirst leben, mein Tapferer, und 
als mein Adjutant immer in meiner Nähe 
bleiben", sagte er freundlich. „Hier", er 
löste das Kreuz der Ehrenlegion von seiner 
Brust und heftete es dem Verwundeten an, 
„dieses nimm als Zeichen meiner Dank 
barkeit!" 
Der Mann lächelte glückselig bei diesen 
Worten seines Vorgesetzten; er glaubte zu. 
träumen. Vom einfachen Sergeanten zum. 
Adjutanten des Gouverneurs von Algerien 
befördert zu werden, erschien ihm fast un 
glaublich. 
„Dank, mein General!" hauchte er dann, 
schwer atmend. 
„Was bewog dich dazu, dein Leben für 
mich einzusetzen?" fragte Bugeaud. 
„Meine Pflicht als Soldat und als Dank 
däfür, daß Sie meinem Vater einst bei 
standen. Es war in Paris, nahe der Rue 
St. Denis — vor dreißig Jahren!" mur 
melte der Sergeant, erschöpft die Augen 
schließend. 
„Ich erinnere mich nicht", antwortete 
Bugeaud, der damals Sechzigjährige, nach 
sinnend, „das Leben eilte zu mannigfaltig 
an mir vorüber. — Doch nun schlafe, mein 
Sohn, meine Augen werden über dich 
wachen!" 
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