Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1919 (1919)

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Waffenstillstand noch weiter verschärft. Frank 
reich stellte maßlose Forderungen, doch mußten 
sie zum Teil schon erfüllt werden. 
Wir wollen kurz die weltbewegenden 
Ereignisse der letzten Zeit erwähnen. 
Die bulgarische Armee verließ Plötzlich 
die mazedonische Front. Bulgarien und die 
Türkei ergaben sich der Entente und schlossen 
Frieden. König Ferdinand verzichtete auf die 
Regierung. Nun mußten sich sowohl die 
österreichisch-ungarische Monarchie als auch 
Deutschland den gestellten Waffenstill 
standsbedingungen fügen. Die Monarchen 
und Bundesfürsten verzichteten freiwillig oder 
dem Zwange gehor 
chend, von den Regie 
rungen zurückzutreten. 
Und so waren in wenig 
Tagen die alten Herr 
scherhäuser der Habs 
burger, Hohenzollern, 
Wittelsbacher undWel- 
fen gestürzt. Aber auch 
in neutralen Ländern 
machten sich republi 
kanische u. kommunisti 
sche Bestrebungen gel 
tend. In Oesterreich 
und Deutschland bil 
deten sich provisorische 
Staats-Pational- und 
Landesregierungen, die 
alle die Staatsform der 
Republik annahmen. 
Es bildeten sich aus 
Alt -Österreich-Ungarn 
eine deutschösterreichische Republik — die sich 
Deutschland anschließen will — eine tschecho- 
slovakische, eine südslavische oder jugoslavische, 
eine polnische und magyarische Republik. 
Polen, das unter sich nicht einig ist, be 
findet sich mit den Ukrainern im Kampfe 
um galizische Gebiete. Die Tschechoslovaken 
beanspruchen, ebenso wie die Deutschöster 
reicher ungarische Komitate. Ueberall machen 
sich Sonderbestrebungen geltend. Unterdessen 
wurden die Armeen an allen Fronten zu 
rückgezogen und die von den Truppen der 
Zentralmächte verlassenen Gebiete von den 
Ententetruppen besetzt. Die Feststellung der 
Grenzen der einzelnen Staatengebilde wird 
wohl der Friedenskonferenz, die vielleicht 
schon Ende November, möglicherweise aber 
erst im Jänner oder Februar im Haag 
(Holland) oder in Versailles beginnen wird, 
vorbehalten sein. Die großen Umwälzungen 
haben naturgemäß zu gefährlichen Gewalt 
akten, Meutereien, Raub, Mord und Plün 
derungen geführt und unermeßlicher Schaden 
entstand durch den Umsturz der Verhältnisse. 
Auf die eben erwähnten Verbrechen wurde 
in unseren Gebieten die Todesstrafe gesetzt. 
An der Spitze des Staatsrates stehen 
Landeshauptmann Hauser, Dr. Ding 
hofer und S e i tz. Es wird schwere Arbeit 
für die Regierungsstellen geben, die verwor 
renen Verhältnisse zu klären und den er 
sehnten Frieden vorzubereiten. Die Wahlen 
der definitiven Regierungen und Vertretungen 
in den einzelnen Staaten werden in den 
Monaten Jänner und Februar 1919 vor 
genommen werden. Möglicherweise wird es 
zum Abschlüsse eines Präliminarfriedens 
kommen. Die Entente verspricht Hilfe gegen 
die drohende Hungersnot, die Tschecho 
slovaken wollen die Angliederungen der 
deutschböhmischen Gebiete an Deutschöster 
reich durch Vorenthalt von Zucker und 
Kohlen verhindern. Ein Krieg droht zwischen 
den Tschechoslovaken und Magyaren wegen 
der strittigen Komitate. Auch zwischen Süd 
slaven und Italienern bestehen Differenzen. 
A*
	        
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